Funkturm stillgelegt

■ Gefährliche elektromagnetische Wellen befürchtet

Hannover (taz) — Der 76 Meter hohe Turm steht schon fertig mitten in der niedersächsischen Stadt Lüneburg, nur einen Kilometer vom Bahnhof entfernt. Er ist einer von jenen 3.000 neuen Funktürmen, mit denen die Telecom jetzt im Abstand von 10-20 Kilometer die gesamte BRD überzieht, um das neue Mobilfunknetz auszubauen. Nur senden darf der Lüneburger Turm sobald nicht. Im Auftrag einer Lüneburger „Anti-Funkturm-BI“ hat Rechtsanwalt Wilhelm Krahn- Zembol jetzt beim örtlichen Verwaltungsgericht einen Baustopp erwirkt, der der Bundespost die weitere Installation von Funktechnik auf dem Turm untersagt. Per Beschluß stellte die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts in Lüneburg die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wieder her, den der Rechtsanwalt im Namen zweier Turm-Anwohner gegen die Baugenehmigung der Bezirksregierung eingelegt hatte. Ihre Entscheidung begründete die Kammer damit, daß Gesundheitsgefährdungen durch die Inbetriebnahme des Fernmeldeturms nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnten. Die Richter rügten, daß die Bezirksregierung diese Gefahren bisher nicht geprüft hat, und stellten der Behörde anheim, vor der Entscheidung über den Widerspruch der BI ein Gutachten über mögliche Gesundheitsgefahren durch den Turm einzuholen.

Für Rechtsanwalt Krahn-Zembol ist diese Entscheidung „sensationell“. Noch nie sei bisher ein deutsches Gericht auch nur von möglichen Gesundheitsschäden durch elektromagnetische Strahlenfelder ausgegangen. Der Anwalt empfiehlt nun allen Anwohnern der geplanten neuen Funktürme, ebenfalls Rechtsmittel einzulegen. Bei seinen Warnungen vor dem neuen Funknetz kann sich Krahn-Zembol auf Experten wie den Kieler Toxikologen Otmar Wassermann berufen, demzufolge die Bundesrepublik schon jetzt die weltweit höchste elektromagnetische Strahlenbelastung hat, die sich zudem etwa im Vierjahresrhythmus verdoppelt. Der Rechtsanwalt der BI fürchtet vermehrte Leukämieerkrankungen und „Verhaltensstörungen“ als Folge des Elektrosmogs. Unsicher über die Wirkung elektrischer und magnetischer Felder ist sich im übrigen selbst das niedersächsische Sozialministerium. Eine abschließende Beurteilung der Gesundheitsgefahren durch solche Felder sei noch nicht möglich, hielt das Ministerium bereits im April in einem Vermerk zu in Lüneburg geplanten „Antennenträgern“ fest. Es empfahl vorsorglich, „verdichtete Siedlungsgebiete“ bei der Errichtung neuer Funkanlagen zu meiden. Gegenüber der Post wollte das Ministerium immerhin klargestellt wissen, daß eine Genehmigung solcher Anlagen „den Betreiber nicht von der Haftungspflicht für etwaige Gesundheitsschäden befreit“. üo