Das Imperium schlägt zurück

■ Die umstrittenen Eigentumsverhältnisse in Ost-Berlin, von der Bundesregierung selbst per Einigungsvertrag produziert, schlagen nun auf den Bund zurück und blockieren den Umzug nach Berlin

Berlin. Eine Behördenposse ersten Ranges torpediert seit Monaten den frühzeitigen Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin: Das Land Berlin verwehrt dem Bund die Möglichkeit, die Besitzverhältnisse der Grundstücke, die er womöglich braucht, schnell zu klären.

Zur Erläuterung: Die Oberfinanzdirektion muß in Vertretung des Bundes für alle Blöcke im Ostteil der Stadt, auf denen möglicherweise Regierungsbauten geplant sind, die Eigentumsverhältnisse feststellen. Denn diese sind bekanntermaßen wegen des im Einigungsvertrag festgeschriebenen Grundsatzes »Rückgabe vor Entschädigung« teils unbekannt und teils umstritten.

Nun leidet das zuständige Grundbuchamt Mitte zum einen unter Personalmangel, zum anderen unter einem Ansturm von nach Klärung verlangenden Alteigentümern, Neuinvestoren und Behörden. Deshalb wird jeder Person der Einblick in nur drei (!) Parzellen pro Sprechtag gestattet. Und der Bund, so beklagt es Helmut John, Leiter der Liegenschaftsabteilung der Oberfinanzdirektion für Ost-Berlin, wird behandelt wie jede Privatperson, also: Einblick in drei Parzellen pro Sprechtag. Und der Sprechtag ist nur einmal pro Woche.

Daß dieses Tempo für eine Behörde, die Hunderttausende von Quadratmetern Bürofläche braucht und die dazu die Besitzverhältnisse von Hunderten von Parzellen klären muß, völlig inakzeptabel ist, läßt sich leicht ermessen. »Erst wollen die Berliner den Umzug der Bundesregierung, dann legen sie uns Steine in den Weg«, schimpft John. Dabei hätte man dem Liegenschaftsdienst schon alles mögliche angeboten: eigene Leute mitzubringen (»das sind ja gelernte Vermessungsingenieure«), eigene Farbkopierer zu stellen. Man habe sogar schon bis zum Staatssekretär der Finanzverwaltung hinauf interveniert, dies alles übrigens seit Juli letzten Jahres, aber — alles umsonst, klagt John. »Wir können doch nicht auf Verdacht Grundstücke von irgendwelchen Leuten kaufen, denen die womöglich gar nicht gehören, nur weil die Klärung nicht schnell genug geht«, schimpft John.

Besonders erbost es John, daß das Land Berlin sich selber offenbar wesentlich besser behandelt als den Bund. So habe das Land Berlin bisher acht Millionen Quadratmeter an Grundstücken als sein Eigentum klären lassen können. In der gleichen Zeit habe der Bund, der immerhin auch »Großgrundbesitzer« in Berlin ist, nur 120.000 Quadratmeter Grund als sein Eigentum reklamieren können.

Beim Berliner Bausenator, der bis Ende letzten Jahres für die Grundbuchämter zuständig war, stoßen die Beschwerden der Oberfinanzdirektion nicht gerade auf Mitleid. Das sei eben so in einem armen Bundesland mit knappem Personal, das könne der Bund ruhig einmal spüren, sagte der Sprecher des Bausenators, Ralf Schlichting. In der Verwaltung war sogar eine gewisse Häme nicht zu verkennen, daß die Bundesregierung nun die Folgen des Einigungsvertrages am eigenen Leib spüre. Von der Justizverwaltung, die seit Anfang 1992 für die Grundbuchämter zuständig ist, war gestern keine Stellungnahme mehr zu bekommen. Eva Schweitzer