STANDBILD
: Staunen ohne Spott

■ Kleines Fernsehspiel: "Sponsae Christi", ZDF, Dienstag, 23 Uhr

Sie nennen sich „Bräute Christi“, die Zisterzienserinnen im Kloster Lichtenthal bei Baden-Baden. Und das Gelübde, dem sie sich unterwerfen, heißt: Schweigen. Den ganzen Tag. Mit Ausnahme einer halben Stunde, der „Rekreation“ am Abend. Das ist für unsereinen so unfaßbar, daß in den Vorankündigungen zu Thomas Riedelsheimers „Kleinem Fernsehspiel“ über die Nonnen dieses Ordens auch prompt betreten und geschwätzig gefloskelt wurde vom „hektischen Getriebe unserer Welt“, dem sich die Nonnen mit Einkehr in sich selbst entziehen.

Doch Thomas Riedelsheimer hat sich sehr wohl davor gehütet, uns mit solch polarisierendem Klischee auf den Geist zu gehen — er hat sich ganz und gar auf die Innenwelt des Klosters konzentriert wie ein Ethnologe, der eine fremde Welt besucht, um sie zu verstehen, statt sie zu bewerten. Und darum ist es ihm gelungen, uns auf eine Reise mitzunehmen, an deren Ende die Achtung bleibt vor einer fremden Welt — auch wenn diese Welt befremdlich wirkt.

„Zuerst hab' ich gedacht: Ich sterb', das raff' ich nicht“, erzählt eine junge Nonne und meint damit: das Schweigen. Und diese „weltliche“ Ausdrucksweise verblüfft ebenso wie das freimütige Bekenntnis: „Sehnsucht nach draußen hab' ich oft.“ Eine andere „Braut Christi“ blättert ihr Fotoalbum durch: „1. Heimaturlaub nach 10 Jahren“, steht unter einem Foto, und man denkt unwillkürlich an Soldaten, Kaserne, Zwang.

Man fragt sich: Wovor fliehen diese Mädchen, die so betonen, daß es nicht Flucht sei, was sie den Weg ins Kloster gehen ließ? Man mag den Ohren gar nicht trauen, wenn Frauen aus Fleisch und Blut von „Jesus, dem Bräutigam, dem Ein und Alles“ reden, während sie an einem bunten Christus sticken. Und es wird einem ganz merkwürdig zumute, wenn eine junge Nonne versonnen sagt: „Das Meer hab' ich immer sehr geliebt“, denn sie wird es, laut Gelübde, nie wiedersehen.

Aber die Heiterkeit, die Offenheit dieser Nonnen bewahrt uns davor, das Befremdliche ihres Lebens mit einem Lachen abzuschütteln. Und Thomas Riedelsheimer läßt sich — und uns — viel Zeit, die Nonnen anzuschauen, beim Reden, Kichern, Schweigen, sogar bei der „Ewigen Profeß“, der Abnahme des Gelübdes, „auf Gedeih und Verderb“ zusammenzubleiben.

Es erinnert ein wenig an Mädchenpensionat und Schwur der Freundschaft durch dick und dünn. Und wenn eine Nonne von „Rückbesinnung auf die Schönheit der Schöpfung“ redet, von „seelischer und geistiger Gesundheit“ — dann staunt man schon über die frohe, weltabgewandte Naivität. Von Spott aber ist dieses Staunen weit entfernt. Sybille Simon-Zülch