Zu den Verdächtigungen gegen Günter Wallraff, mit der Stasi kooperiert zu haben
: Der Mann, der bei'Super– "Walküre" war

■ Günter Wallraff soll ein Mann der Stasi gewesen sein - behaupten die "Zeitung" Super und die ARD-"Tagesthemen"...

Der Mann, der bei 'Super‘ „Walküre“ war Günter Wallraff soll ein Mann der Stasi gewesen sein — behaupten die „Zeitung“ Super und die ARD-„Tagesthemen“. Obwohl die Vorwürfe auf wackligen Füßen stehen, eröffnete der Fernsehchef des Bayerischen Rundfunks, Mertes, in einem Kommentar die Hexenjagd.

Der Mann, der bei 'Bild‘ Hans Esser war, soll mit der Stasi unter den Decknamen „Wagner“ und „Walküre“ gemeinsame Sache gemacht haben — das jedenfalls behauptete am Mittwoch das ausschließlich im Osten Deutschlands erscheinende Blut-und-Busen- Blatt 'Super!‘. Schon am Dienstag abend hatte das ARD-Nachrichtenmagazin 'Tagesthemen‘ die angebliche Enthüllungsgeschichte aufgegriffen und dem Mitglied der 'Super‘-Chefredaktion Heinz van Nouhuys Gelegenheit gegeben, die Vorwürfe gegen den Journalisten und Schriftsteller Günter Wallraff auch den BürgerInnen der alten Bundesrepublik kund zu tun.

Nach Darstellung von 'Super‘ soll Wallraff seine Recherchen ausführlich mit dem Stasi-Verbindungsoffizier Heinz Dornberger, Mitarbeiter der von Markus Wolf geleiteten Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), besprochen haben. Außerdem zitiert das Blatt einen anonymen „hohen HVA-Offizier“ mit den Worten: „Wallraff war einer unserer wichtigsten Einfluß-Agenten zur Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland.“

Wallraff hat die Vorwürfe inzwischen als „Verleumdungskampagne“ zurückgewiesen und juristische Schritte gegen die Zeitung angekündigt (siehe auch das Interview auf dieser Seite). Er räumte ein, „einige Male Einblick in DDR-Archive genommen“ zu haben, wobei es meist um die Nazi-Vergangenheit bestimmter Personen gegangen sei. Wallraff erklärte gestern, er sei vermutlich selbst von der Stasi bespitzelt worden und habe aus diesem Grund am 20. Januar Akteneinsicht beantragt. Die These, er sei von der Stasi zur Destabilisierung der Bundesrepublik eingesetzt worden, bezeichnete er gestern als „lachhaft“. „Diese Knallköppe von der Stasi hätten nie die Fantasie und das Feingefühl gehabt, mich zu irgendwas zu inspiereren“, sagte er.

Mertes-Kommentar sorgte bei den ARD-Chefs für Aufregung

Der Vorwurf gegen den erfolgreichsten Journalisten der Bundesrepublik wird durch Einsicht in die Akten des Ministeriums für Staatssicherheit bei der Gauck-Behörde aber nur bedingt zu klären sein. Ein Gauck-Mitarbeiter erklärte gestern, daß nahezu alle Dokumente der Hauptabteilung Aufklärung im Frühjahr 1990 von Stasi- Angehörigen vernichtet worden sind. Der Bericht von 'Super‘ fußt deshalb allein auf den Aussagen seines angeblichen Verbindungsoffiziers Dornberger, der seine Aussagen mit einer eidesstattlichen Versicherung bekräftigt hat.

Gegen seine Version sprechen Notizen, die der Autor und Liedermacher Wolf Biermann in seinen Stasi-Akten gefunden hat: Dort tauche Wallraff als „Feindperson der DDR“ auf, eine Information, die der Journalist gestern von dem Schriftsteller Jürgen Fuchs erhielt. Wallraff und Biermann kennen sich schon lange; als der Liedermacher ausgebürgert wurde, zog er in die Wohnung des Kölner Journalisten ein. Er habe keinen Anlaß, an der Freundschaft und an der Aufrichtigkeit von Wallraff zu zweifeln, erklärte Biermann gestern. Auch der Stasi-Aufklärer Jürgen Fuchs will Wallraff helfen, die Angelegenheit aufzuklären, indem er seine Akten nochmal durchforstet. Obwohl die 'Super‘- Geschichte in journalistischer Hinsicht also auf äußerst wackligen Füßen steht, ließ es sich der Chefredakteur des Bayrischen Fernsehens, Heinz Klaus Mertes, nicht nehmen, in der von Sabine Christiansen moderierten ARD-Tagesthemen-Sendung eine volle Breitseite gegen Wallraff abzufeuern (siehe Dokumentation unten auf der Seite).

Attacken gegen Wallraff haben Tradition

Der Kommentar von Mertes sorgte in der ARD gestern für erhebliche Aufregung. In der täglichen ARD- Schaltkonferenz, an der alle Sender teilnehmen, ist es normalerweise nicht üblich, Fernsehkommentare zu kommentieren, trotzdem ging es gestern zwischen 13.50 und 15.00 Uhr hoch her.

Mehrere Chefredakteure kritisierten, daß eine unbewiesene Geschichte so kommentiert wurde, als könne man sie für bare Münze nehmen. Vier Chefredakteure von ARD-Anstalten distanzierten sich nach Informationen der taz von der Mertes-Attacke; die Diskussion darüber wurde lautstark ausgetragen und dauerte fast eine dreiviertel Stunde. Mertes wurde vorgeworfen, er eröffne eine „Hexenjagd“ auf Wallraff. Insider glauben nun, daß es in der ARD künftig wieder öfter zu Kampfabstimmungen über Kommentare kommen wird.

Warum ausgerechnet Mertes, der mit Wallraff schon oft juristisch im Clinch lag, seine Meinung über den Sender bringen durfte, war auf der Schaltkonferenz unklar. Ursprünglich war ein Kommentar zur Mehrwertsteuer geplant. Mertes versucht schon seit Jahren, Günter Wallraff als Agent provocateur der bundesdeutschen Presselandschaft zu entlarven. „Mertes und Wallraff sind Intimfeinde“, erläutert der Hamburger Fotograf Günter Zint, der mit dem Kölner Journalisten lange Zeit zusammenarbeitete, das Verhältnis der beiden. Viel Glück hatte der Leiter von 'Report Bayern‘ dabei aber nie, wenn es darum ging, seinem Lieblingsgegner etwas ans Zeug zu flicken.

Als er Wallraff und Günter Zint Mitte der achtziger Jahre beschuldigte, ein Foto für Wallraffs Bestseller Ganz unten gefälscht zu haben, verlor Mertes einen Prozeß durch alle Instanzen. Und als CSU-Mann Mertes Günter Wallraff einmal mit seinen eigenen Waffen schlagen wollte — Mertes hatte sich einen falschen Bart angeklebt und wollte den Enthüllungsjournalisten interviewen —, klappte auch das nicht: Wallraff bemerkte den Schwindel und riß Mertes den Schnauzer aus dem Gesicht. Das Interview wurde nie gesendet.

Rückendeckung von den IG Medien

Mertes hat sich auch bei seiner jüngsten Attacke gegen Wallraff wieder vergriffen — nicht nur im Ton, auch bei den Fakten. Seine Behauptung, Wallraff sei Staatspreisträger Bulgariens, ist falsch. Es stimmt zwar, daß die bulgarische Regierung dem Namensgeber des schwedischen Wortes „wallraffen“ — eine Bezeichnung für under-cover-Journalismus — diesen Preis andienen wollte. Als Wallraff aber ankündigte, er wolle die damit verbundenen 10.000 Dollar der türkischen Minderheit in Bulgarien zur Verfügung stellen, nahmen die Kommunisten ihr Angebot zurück.

Die IG Medien hat Günter Wallraff gestern verteidigt. Allein aus der Tatsache, daß Wallraff Stasi-Unterlagen bei der Recherche über Nazi- Verbrechen eingesehen habe, könne man keine Stasi-Mitarbeit ableiten, hieß es in einer Erklärung. Wallraff selbst glaubt, daß die 'Super‘-Story ein Racheakt ist: Auf einer Podiumsdiskussion in Hamburg griff er das Blatt vor kurzem scharf an. Wallraff: Die Methoden von 'Super‘ seien schlimmer als die der westdeutschen Schwester 'Bild'.

Wallraff selbst gab sich gestern gelassen. Während Dutzende von JournalistInnen versuchten, ihn telefonisch zu erreichen, spielte er mit einem Nachbarn Tischtennis im Hinterhof seiner Kölner Wohnung. Privat kommt der Familie Wallraff der Trubel allerdings sehr ungelegen: Die Frau des berühmten Reporters erwartet in diesen Tagen ein Baby. Claus Christian Malzahn