Ein warmes Nest namens MOKS

■ Bremer Kinder- und Jugendtheater wird 15 / Leiterin Ursula Menck und Kampf und Silberstreif / Inzwischen: Regeleinrichtung

Paßfoto:

Frau mit

Halstuch

MOKse Ursula Menck

MOKSen verlieren sich nicht aus den Augen. MOKSen haben mal in einem warmen Nest gesessen. Das Nest hieß MOKS. Und MOKS heißt „Modelltheater Künstler und Schüler“, ist die vierte Sparte im Dreispartenbetrieb unseres Theaters, ist ein erfolgreiches und gefragtes Kinder- und Jugendtheater und wird dieser Tage 15 Jahre alt.

MOKS, das war 1977 ein bundesweiter Modellversuch Künstler und Schule, in Bremen seit '84 mit dem Schwerpunkt „Theater“. Damals übernahm Bremen MOKS als Regeleinrichtung. MOKS ist aber auch 15 Jahre Jammer und Mangel: Zunächst jährliches Zittern um Verlängerung des Modells, '82 bis '86 Stellenstop, die Mitarbeiter waren LehrerInnen, MOKS schrumpfte auf zwei Leute zusammen. '88 dann verlor MOKS seine Spielstätte in der Weserburg, seitdem probt und spielt man in einer Turnhalle, dem alten Swutsch-Studio, einem Bus oder in Schulklassen. Improvisationen, die auch MOKS-Inhalte beeinflußten.

MOKS, das ist auch und von vornherein Ursula Menck. Seit 15 Jahren ist sie dabei, zunächst als wissenschaftliche Begleiterin, seit '84 als Leiterin. „15 Jahre des Kampfes“ sagt die geborene Hamburgerin und gelernte Dramaturgin und wirkt überhaupt nicht resigniert. Immerhin hat MOKS heute sieben feste Stellen, einen Sachmitteletat und Geld für Gastregisseure.

„Die Gage ist gut“, sagt Ursula Menck und weiß doch, wie schwer es ist, gute SchauspielerInnen zu finden. „Das Kindertheater muß um seine künstlerische Anerkennung kämpfen, es fehlt der Marktwert.“ Kindertheater — das hört sich nach Pädagogik an. Und zieht oft Schauspieler an, die an einem „Karriereknick“ stehen. Denn: „Diese Arbeit macht Sinn.“ Oft auch einen neuen Sinn — Ex-MOKSen sind häufig für den Theaterbetrieb nicht mehr zu gebrauchen und gehen in die Jugendarbeit, den Journalismus, an ein Dorftheater. Wolfgang Blessing z.B. machte in Bremen eine Buchhandlung auf.

„Das MOKS ist eine Durchgangsstation,“ sagt Ursula Menck. Gilt das auch für sie? Sie hat in Wien Theaterwissenschaft studiert, ist über Darmstadt, die Berliner Schaubühne und Celle (ist wahr!) nach Bremen gekommen. Hier arbeitete sie als Dramaturgin drei Jahre lang mit George Tabori zusammen. Ihr erstes Stück in Bremen: Gorkis „Feinde“. Mit dem MOKS fand sie mehr oder weniger freiwillig eine „Lebensaufgabe“ — Es galt: „Wenn ich aufgebe, ist MOKS aufgegeben.“

Drei Stücke gibt es pro Jahr, die bis zu hundert mal aufgeführt werden. Der Bedarf ist riesig, MOKS ist meist ausgebucht. Schulen melden sich aus Nordrhein-Westfalen an. Wichtige Produktionen waren die Brecht- Collage „Aus Deutschland“ (1980), „Der verlorene Federball“, ein Maskenspiel zur Körpersprache (1982), das psychologisch ausgedeutete Märchen „Blaubart“ und das Mitspielmärchen „Als das Wünschen noch geholfen hat“. „Öffnung der 4.Wand“: ein MOKS-Ziel. Mit Hans Kresnik hatte man seinerzeit „Peter und der Wolf“ produziert: „Da schimpft der heute noch drüber, daß seine Schauspieler so oft in die Schule mußten.“ Nur bei MOKS denkbar: Zwei Jahre lang arbeitete man am Thema „Hexen“, Moorwanderungen, Reisen, Literatur ... Die MOKSen drifteten in Politik — Frauenthema — Esoterik ab, das Projekt „wurde zu groß“ und scheiterte.

Ein merkwürdiges Projekt, das MOKS. Unbehaust, z.Zt. drückt man sich im „Brauhaus-Keller“ am Goetheplatz herum, zwei Herren unterstellt: dem Intendanten, der abends Chef ist, und dem Bildungssenator, der morgens in den Schule das Sagen hat. Die Zusammenarbeit mit den Schulen ist nach wie vor wichtig. Doch das inhaltliche Interesse des Ensembles geht vor vermeintliches Schülerinteresse. „Wir sind auf der Mitte des Berges,“ meint Ursula Menck zur Zukunft von MOKS.

Es wird jetzt einiges passieren. Zur neuen Spielzeit rechnet MOKS fest mit eigener Spielstätte im „Brauhaus“; der neue Intendant Heyme „bekundet Interesse“; der Jugendclub des Theaters, der sich zum Ende der Spielzeit auflöst, kommt runderneuert ebenfalls unters MOKS-Dach; ein ambitioniertes Drogen-Stück ist in Arbeit. Ob Ursula Menck noch mal ganz was anderes machen will? „Seit ich den Silberstreifen am Horizont sehe, habe ich meine Antennen ausgefahren“, sagt sie. Ein neuer Job muß nicht mit Kindern zu tun haben. Burkhard Straßmann