DURCHS DRÖHNLAND
: Wir blättern im Lexikon des Manierismus

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der nächsten Woche

In Berlin zusammengefunden haben sich zwei Londoner, zwei Berliner und eine Australierin, um fortan unter dem Namen Marat's Last Bath zu musizieren. Sarah Asling sang auch schon Background für Nick Cave und die Poems For Laila, und ihre Stimme ist es, die Marat's Last Bath bemerkenswert macht. Während die vier jungen Männer ein relativ belangloses, wenn auch hochprofessionelles Geplänkel aus Folk- und wenigen Psychedelik-Elementen produzieren, schwebt, haucht, zärtelt und hymnt Sarah Aslings manchmal zu pathetische und viel zu schöne Stimme darüber. Das Organ der Australierin ist so dominierend, daß es die Instrumente respektvoll so gut wie nie wagen, ihr in die Quere zu kommen, und statt dessen in einer gebannten Starre stecken bleiben.

Graf's von Nymburg 311th Paraplane haben nicht nur einen komischen Namen und eine obskure Herkunft (angeblich aus Transsylvanien), sondern spielen auch krude Musik. Oder kann sich jemand vorstellen, wie sich zum Beispiel die 13th Floor Elevators angehört hätten, wäre Roky Erickson ein Ungar mit einem nicht zu verbergenden Hang zum Manierismus gewesen? Paßt wenig zusammen und würde sich höchstwahrscheinlich ungefähr so wie Graf Nymburg anhören, die wiederum wenig zum anderen Act des Abends passen.

Am 14.2. um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg, Kopischstraße 7, Kreuzberg

Manchmal können die belanglosesten Musiken einen gewissen Reiz entwickeln. Escape With Romeo sind so ein Fall. Da dängelt die Gitarre und dängelt und dängelt und dängelt, dängelt immer noch, bis sie endlich richtig doll dängelt und dann wieder leise dängelt. Beim nächsten Stück dängelt's schon wieder... Lassen wir das, denn das führt uns nicht weiter, genausowenig wie diese Musik. Der Sänger mosert derweil über irgendwas, wie jemand, der dich in der Kneipe schräg von der Seite vollabert, aber wen kümmert's, hört ja von selbst wieder auf. Dabei ist das Ganze so sauber und glatt und mit technischen Studio-Spielereien verziert, daß ein Gähnen noch die positivste Reaktion ist. Entwickelt aber trotzdem und obskurerweise einen morbiden Reiz. Wie monoton kann man sein, um nicht mehr zu langweilen?

Am 14.2. um 22 Uhr auf der Insel, Treptower Park

Dies hier ist ein wirklich obskurer Fall. Selten konnte man erleben, daß sich eine Band so radikal ändert, nur, um dabei rückwärts zu gehen. Die Asexuals begannen 1983 als große Liebhaber des klassischen Punkrocks, spielten dann aber einen wunderhübschen Gitarrenpop mit nur wenigen Härten und zuckersüßen Jungsstimmen. Ganz im Gegensatz dazu die letzte Veröffentlichung: Als wollten sie mit Macht zurück zu ihren Wurzeln, dröhnt es plötzlich hart und schnell und dumpf, fast schon Trash-Metal, mit viel Fantasie auch Hardcore, und dann doch wieder Uralt-Punkrock samt Mitgröhlrefrain. Ein Schritt in die falsche Richtung, meine Herren.

Am 15.2. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

In diesen Zeiten, wo die schwarzen Scheiben langsam aber sicher endgültig ausgetauscht werden gegen die kleinen silbernen, scheint es die ganz besonders Renitenten zu packen. Sie wollen weiterhin die farblich passende Musik zum Vinyl machen. Die Cosmic Comic Connection Cowboys sind von der Sorte. Gegründet 1989 in Dresden, hervorgegangen aus den lokalen Formationen Kaltfront und Aromatic Blend, spielen sie einen kraftvollen Dark Rock, der sich allerdings nicht penetrant auf den düsteren Seiten des Lebens aufhält, auch wenn sie zu Beginn ihrer Bandhistorie recht klassischen Gruftrock spielten. Inzwischen erinnern vor allem die nölenden Gitarren und das satte Baßspiel noch an Siouxie & the Banshees oder die Sisters of Mercy. Das Schlagzeug ist in Gegensatz dazu nicht so verhallt, wie es sein müßte, sondern sorgt für den nötigen Druck, um das Absinken in Schwarzkittel-Pathos zu verhindern. Wo soll das bloß noch hinführen, wenn alle Gruftrocker mit ihrer Vergangenheit brechen, aber sich fast immer noch genauso anhören wie zuvor?

Am 15.2. um 21 Uhr im Osten, Glogauer Straße 4, Kreuzberg

Daß Österreicher irgendwie keine normalen Menschen sind, ist ein weitverbreitetes und auch bei mir sehr beliebtes Vorurteil. Was soll man sonst von der so penetrant demonstrierten Todessehnsucht dieses Völkchens halten. Die Dharma Bums Insane kommen aus Steyr und begannen 1985 damit, Coverversionen von Stones-, Hendrix- und Doors-Stücken zu spielen. Dieses Sixties-Image hängt ihnen immer noch an, obwohl die Hammondorgel inzwischen ihren verdienten Ruheplatz auf dem Müllhaufen gefunden hat. Jetzt spielen sie einen halbwegs ungewöhnlichen Crossover, der sich zwischen harten, punkbeeinflußten Gitarrenexzessen und extrem lauschigen, balladesken Sequenzen bewegt. Funkige Rhythmen vom Baß sorgen für zusätzliche Verwirrung. Außergewöhnlich werden die Dharma Bums erst durch den Sänger. Dieser nennt sich »Der Böse« und soll sich nach Zeugenaussagen auf der Bühne ähnlich dämlich benehmen wie sein Pseudonym nahelegt: Furchterregende Blicke von einer Jagger/Morrison-Kopie.

Wer immer noch glaubt, daß Oskar aus der Mülltonne der Sesamstraße der erste wahre Trashrocker war, ist mit der Vorgruppe Cash Only wahrscheinlich bestens bedient. Das hier klingt nicht nur beschissen, das soll auch beschissen klingen. Oder wie sang schon Oskar: »Ich mag Müll.« Drei goldene Klobürsten von mir.

Am 15.2. um 22 Uhr auf der Insel

Schnarchsack-Rock vom Allerfeinsten. Slowdive aus London sind so völlig unbeleckt vom auf der Insel grassierenden Tanzfieber, daß ihr Schlagzeuger einschlafen könnte, ohne daß es irgendjemandem auffallen würde. Keine Spitzen, keine Aufregungen, nur ein Tröpfeln und Schmeicheln, mehrstimmiger Singsang, dicke Keyboardschwaden in erbittertem Kampf mit monoton dahinwabernden Gitarren. Wem Escape With Romeo (siehe oben) noch zu flott war, der wird das hier lieben. Dabei sind Slowdive noch sehr junge Menschen um die zwanzig. Aber Jugend ist anscheinend längst nicht mehr dasselbe wie zu meiner Zeit. Die Engländer, die bekanntermaßen ein großes Herz für Manierismus haben, finden diese Band natürlich gaaanz toll. Schön für die Engländer.

Am 16.2. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Nur kurz hingewiesen werden soll auf unseren allerliebsten Vorzeigeberliner. Rio Reiser ist so gut, der kann gar nichts falsch machen, auch wenn seine Stimme immer brüchiger wird. Aber genau das schätzen wir an ihm: Jemand der vorführt, wie man in Würde altern kann, ohne dabei zu verkalken.

Am 18.2. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

Hier haben wir vor uns: die Erfinder des Politcore-Metal-Crossover. Sicher kann man bei solchen Behauptungen natürlich nie sein, zu stürmisch verfließen die Grenzen. Definitiv kann gesagt werden, daß Corrosion Of Conformity bereits direkt nach ihrer Gründung 1982 begannen, mehr und mehr Metal-Elemente in ihren Hardcore zu integrieren und inzwischen bei einer reinen, aber doch ganz eigenen Metalvariante angekommen sind. Sie wechseln von stampfenden Speedparts über swingende Jazzexkurse bis hin zu langsameren, doomigen Teilen. Hardcore blitzt nur noch selten auf, vom Punk haben sie sich vollständig verabschiedet. An ihre Herkunft und Verwurzelung im Polit-Underground erinnern nur noch die Texte, die an Militanz nichts zu wünschen übriglassen: »Don't *** with me 'cos I'm on the freedom train/ That bears no name — this time/ I'm voting with a bullet«. Man könnte nun seitenlang darüber spekulieren, ob Metal durch die ihm anhaftenden Klischees überhaupt politisch korrekt sein kann — müßig das. Corrosion of Conformity sind auf jeden Fall die politisch korrekteste Band, die im Metal möglich ist.

Am 20.2. um 20.30 Uhr im Loft Thomas Winkler