Mit dem Grünen Punkt ist der Müll noch nicht beseitigt

■ Stadtreinigung und Recycling-Firma ALBA müssen sich beeilen, um die neuen Müll-Bestimmungen umzusetzen/ Bis Jahresende überall gelbe Tonnen

Berlin. Auf fast jeder Zahnpastatube und jedem Joghurtbecher ist er mittlerweile zu sehen — der Grüne Punkt. Ein Symbol, das versprechen soll, daß die Verpackung entsorgt und wiederverwertet wird. Berliner Supermarktketten werben mit Broschüren und Plakaten für das privatwirtschaftliche Entsorgungssystem. Doch bis die Versprechungen gehalten werden können, wird es noch lange dauern.

Seit Umweltminister Töpfer der Industrie im vergangenen Jahr mit einer restriktiven Verpackungsverordnung Druck gemacht hat, baut das zu diesem Zweck von der Industrie gegründete »Duale System Deutschland« (DSD) fieberhaft regionale Entsorgungssysteme auf. Denn das Motto der Verpackungsverordnung lautet: Wer Müll produziert, soll sich auch um die Entsorgung kümmern — die Industrie also. Als DSD-Auftragnehmerin arbeitet seit Januar 1992 die DASS GmbH (»Die andere Systementsorgung«) an der Installierung des Systems. Ihre Aufgabe: In ganz Berlin müssen bis Ende des Jahres Sammelbehälter für Glas und Papier sowie die gelben Tonnen für Verpackungen aus Plastik und Alu aufgestellt werden. Gleichzeitig muß die Entsorgung und die Sortierung der Wertstoffe und Verpackungen gesichert sein.

Die erste Töpfer-Frist ist der 1. Januar 1993. Bis dahin muß die DASS, die zur Hälfte von der Berliner Stadtreinigung (BSR) und der Recycling- Firma ALBA betrieben wird, rund 280.000 Tonnen Müll einsammeln und wiederverwerten. Im vergangenen Jahr wurden nur 116.000 Tonnen recycelt. Bis zum Jahr 1995 müssen in den Recycling-Sammelbehältern 440.000 Tonnen Glas, Papier und Leichtverpackungen landen, damit die von der Verpackungsverordnung geforderten Quoten erfüllt sind.

Derzeit fliegen Verpackungen mit dem Grünen Punkt noch in die graue Mülltonne. »Gelbe Tonnen haben wir in Berlin überhaupt noch nicht aufgestellt«, sagt die DASS-Pressesprecherin Sabine Thümler, das Problem sei, »daß wir im Osten bei Null anfangen mußten«. Dort werde DASS erst einmal die Glas- und Papiersammlung ausbauen. Im Sommer dieses Jahres wolle DASS mit dem Aufstellen der gelben Tonnen beginnen. Für die Tonnenstellplätze fehlen aber teilweise noch Standortgenehmigungen, vor allem im Westteil sperrten sich laut Sabine Thümler die Bezirksämter, weil die Tonnen das Stadtbild verschandelten. Probleme gebe es auch, Fahrzeuge und Sammelbehälter für das Entsorgungssystem zu bekommen. Kann DASS die Forderungen der Verpackungsverordnung bis Ende des Jahres nicht erfüllen, wird das private Entsorgungssystem von der Senatsverwaltung für Umweltschutz nicht genehmigt. Dann müßten die Einzelhändler die Verpackungen im Laden zurücknehmen.

Der Erfolg des System steht auch bei der Wiederverwertung in den Sternen. Nur fünf Prozent der anfallenden Kunststoffmenge etwa könnten laut Umweltbundesamt derzeit wiederverwertet werden, bis 1995 sollen es rund 60 Prozent sein. Abfallexperte Eckhard Willing sieht in der Verpackungsverordnung ein Druckmittel für die Kunststoffindustrie: »Dadurch zwingen wir sie, Recycling-Anlagen zu bauen.« Doch das kann teuer werden. Zahlen muß der Endverbraucher — derzeit bis zu zwanzig Pfennig mehr pro Verpackung.

»Die teuren Produkte werden unattraktiv«, kritisiert Judith Demba (AL) vom Umweltausschuß das Duale System. Der Verbraucher zahle bis zu 300 Mark mehr im Jahr, dabei behaupte DASS, die Entsorgung sei kostenlos. Zudem werde der Müll zwar verwertet, nicht aber vermieden. Ähnlich lautet die Kritik der Bürgerinitiative »Das bessere Müllkonzept«: Der Verbraucher zahle doppelt für die öffentliche Müllabfuhr und — über den Grünen Punkt — für die gelben Tonnen. »Das bessere Müllkonzept« fordert hingegen das Verbot von Einwegflaschen, mehr Mehrwegverpackungen und insgesamt weniger verpackte Produkte, so Christian Tebert von der Bürgerinitiative. In Berlin sei die Einführung des Dualen Systems an der Öffentlichkeit vorbeigegangen und in keinem Ausschuß besprochen worden, »die haben nicht gemerkt, was da vor sich geht«. Werbung, Produkte mit dem Grünen Punkt seien besonders umweltfreundlich, sei »Verbraucherverarschung«.

Eckhard Willing vom Umweltbundesamt sieht solchen Mißbrauch des Grünen Punktes jedoch gelassen, denn »ab 1993 ist derjenige umweltfreundlich, der eine Verpackung ohne Grünen Punkt kauft, das ist dann eine Mehrwegverpackung«. Corinna Emundts