SPD: Keine Wahlhilfe von SED erbeten

■ SPD-Chef Momper weist Vorwürfe als »völlig unerträglich« zurück/ CDU spricht von skandalösem Vorgang/ Diepgen nimmt SPD in Schutz: »Über Gespräche informiert«/ SED-Protokolle manipuliert?

Berlin. Die Berliner SPD hat den Vorwurf zurückgewiesen, ihr damaliger Spitzenkandidat Harry Ristock habe im Vorfeld der Abgeordnetenhauswahlen von 1985 von der SED Wahlkampfhilfe erbeten. Entsprechende Berichte des Springer-Boulevardblattes 'BZ‘ seien »völlig unhaltbar«, erklärte gestern der SPD-Landesvorsitzende Walter Momper.

Die 'BZ‘ hatte sich auf SED-Protokolle zweier SED-SPD-Gespräche am 29. Juli 1983 und am 17. Februar 1984 berufen. Danach soll Ristock »zu verstehen« gegeben haben, »daß es für die SPD insbesondere im Hinblick auf die 1985 bevorstehenden Abgeordnetenhauswahlen wichtig wäre, wenn sie von der DDR bei der Ausarbeitung ihrer Vorstellungen in diesen Fragen ein Maximum an Unterstützung erhalten und so — auch ungeachtet des Ausgangs dieser Wahlen — den Einfluß der SPD in West-Berlin erhöhen könnte«.

Ristock, der schwerkrank im Krankenhaus liegt, konnte sich selbst gestern nicht äußern. An den Treffen hatten neben Ristock auch der SPD- Abgeordnete Alexander Longolius und der damalige Berliner SPD-Chef Peter Ulrich teilgenommen. Longolius sagte der taz, offenbar seien die Protokolle von der SED »stark manipuliert« worden. Bei den Gesprächen sei es u.a. um Kontakte zwischen West-Berlin und der DDR, beispielsweise um Möglichkeiten einer Abstimmung der 750-Jahr-Feiern in beiden Stadthälften und allgemeinpolitische Fragen gegangen.

Die Protokolle all dieser Gespräche habe die SPD stets auch der CDU-geführten Senatskanzlei zukommen lassen, betonte Longolius. Eberhard Diepgen, damals wie heute Regierender Bürgermeister, bestätigte diese Darstellung. Es habe von Longolius, daneben aber auch von Ristock, eine »umfassende Unterrichtung« gegeben, sagte Diepgen im Abgeordnetenhaus.

CDU-Generalsekretär Karl-Joachim Kierey sprach unterdessen von einem »skandalösen Vorgang« und forderte von der SPD eine Klärung der Vorwürfe. Er verwies auf Erkenntnisse aus dem Schalck-Ausschuß des Bundestages, wonach schon 1981 der damalige SPD- Staatssekretär Klaus Bölling die SED um Wahlkampfhilfe ersucht habe, »augenscheinlich«, so Kierey, im Zusammenhang mit dem Berliner Wahlkampf, in dem damals Hans-Jochen Vogel (SPD) und Richard von Weizsäcker (CDU) gegeneinander angetreten waren.

SPD-Chef Momper konterte, es gehe »offenbar um eine Kampagne gegen die gesamte Ostpolitik« der damaligen Jahre. Longolius verwies darauf, daß die SED-Vertreter damals die SPD-Besuche als »Ausnahmefall« begrüßt hätten, verglichen mit »der Völkerwanderung von CDU- und CSU-Politikern in die DDR«. Die einzige Partei, mit der die SED-Vertreter in den Gesprächen, Herbert Häberer vom Politbüro und ZK-Sekretär Gunther Rettner, nach eigenen Angaben »Probleme« gehabt hätten, seien die Grünen gewesen. hmt