Gleichviel für Widerständler und Kriminelle

■ »Vereinigung der Opfer des Stalinismus« empört über Gesetz, das die Opfer der DDR-Strafjustiz entschädigen soll/ »Lächerliche Entschädigungssummen« seien eine Banalisierung des Widerstands

Berlin. Der Vorsitzende der »Vereinigung der Opfer des Stalinismus« (VOS), Richard Knöchel, hat das von der Bundesregierung geplante »SED-Unrechtsbereinigungsgesetz« (SED-UBR) scharf kritisiert. Vor Journalisten im Haus am Checkpoint Charlie sagte er, daß das vermutlich im Sommer verabschiedete Gesetz gegen die Entschädigungspflicht des Bundes gemäß Artikel 17 im Einigungsvertrag verstößt.

Statt einer »angemessenen« Entschädigung für die Opfer der DDR- Strafjustiz bis zum November 1989, seien nur »Sozialleistungen«, nämlich 300 Mark pro Haftmonat vorgesehen. Einen Zusatzbetrag in Höhe von 150 Mark sollen nur die ehemaligen Häftlinge erhalten, die bis November 1989 in der DDR blieben. Besonders Bedürftige sollen auf Antrag weitere 150 Mark bekommen. Die VOS fordert hingegen 900 Mark pro Monat, und zwar unabhängig vom Wohnsitz nach der Haft. Die unterschiedliche Entschädigungshöhe treibe einen Keil zwischen die verschiedenen Repressionsopfer oder begünstige »Verräter der Widerstandskämpfer, die aus Angst in der DDR blieben«.

Der von der VOS vorgeschlagene Entschädigungsbetrag orientierte sich an den Zahlungen des Häftlingshilfegesetzes, dem Bundesentschädigungsgesetz und dem Gesetz über die Entschädigung von Strafverfolgungsmaßnahmen. Danach erhielten Opfer der NS-Justiz, aber auch von der Bundesrepublik freigekaufte politische Häftlinge eine Haftentschädigung bis zu 150 Mark pro Tag. Das UBG soll nun diese alten bundesrepublikanischen Regelungen ersetzen. Die geplanten »lächerlichen Entschädigungssummen« seien eine Banalisierung des Widerstandes gegen die kommunistische Gewaltherrschaft, sagte Knöchel.

Besonders erbittert sind die in der VOS organisierten Opferverbände darüber, daß in der Gesetzesvorlage kein Unterschied zwischen den politischen und den zu hart bestraften kriminellen Häftlingen gemacht wird. »Es ist eine Verhöhnung der Repressionsopfer, daß wir mit Kriminellen, die uns in den Zuchthäusern bespitzelt und drangsaliert haben, in einen Topf geworfen werden«, sagte Knöchel. Unterstützung findet die VOS derzeit nur bei der Fraktion Bündnis 90/Grüne. Die Regierungsparteien erwecken den Anschein, sagte Knöchel, »daß ihnen mehr an einer Aussöhnung mit den Tätern als mit den Opfern gelegen sei.« Schon der Name des Gesetzes, SED-UBR, sei eine »Art Persilschein für die Blockparteien«.

Im Gesetz berücksichtigt werden auch nicht die Menschen, die aus politischen Gründen mit einem »Arbeitseinstellungsboykott« bestraft wurden und deshalb allen Besitz verkaufen mußten, um überhaupt überleben zu können. Die VOS fordert deshalb eine »Stiftung für Repressionsopfer«. Am 17. Februar findet ab 10 Uhr vor der Gethsemanekirche eine Mahnwache gegen das UBR statt. aku

Siehe Kommentar auf Seite 25