Der erste „Zivi“ in Rußland

Dortmund (dpa/taz) — Knapp 47 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist wieder ein deutscher Wehrpflichtiger in Rußland. Diesmal jedoch ist alles ganz anders.

Bernhard Redecker hat als erster deutscher Wehrdienstverweigerer seinen Ersatzdienst in Rußland abgeleistet und dabei vor Ort gleichzeitig die Diskussion um die Einführung eines Zivildienstes belebt. Seit November 1990 arbeitete der 22jährige Abiturient aus Witten als Hilfspfleger auf der neurologischen Station des Städtischen Krankenhauses Nummer 15 in Moskau. Organisiert hatte den ungewöhnlichen Zivildienstplatz die Evangelische Kirche von Westfalen in Zusammenarbeit mit der Aktion Sühnezeichen und der Russisch-Orthodoxen Kirche.

„Ärzte und Krankenschwestern wußten erst gar nicht, was sie mit einem Zivildienstleistenden anfangen sollten“, berichtete Redecker am Donnerstag in Dortmund nach seiner Rückkehr aus Moskau. Denn einen zivilen Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer gibt es in Rußland bisher nicht. Schnell habe er sich aber als Helfer bei Massagen und chiropraktischen Therapien nützlich machen können, erzählte der 22jährige, der in der Schule Russisch gelernt hat. In dem 2.000-Betten-Hospital sei er bald als „der Deutsche“ bekannt gewesen.

Die russischen Medien berichteten ausführlich über den ersten Zivildienstleistenden in ihrem Land. Das Fernsehen brachte ein 20-Minuten- Porträt des jungen Deutschen, viele Zeitungsjournalisten ließen sich von ihm den bundesdeutschen Zivildienst erklären. „In Rußland kommt jetzt die Diskussion über die Kriegsdienstverweigerung und den Ersatzdienst in Gang“, meinte Redecker. 280 Rubel pro Monat hatte er anfangs erhalten, später wurde sein Gehalt auf 313 Rubel aufgestockt. „Dafür konnte man gerade einmal einkaufen“, so daß Eltern und Freunde den 22jährigen unterstützen mußten. Viel Zeit für Besichtigungen blieb da nicht. „Jeder Drei-Tage-Tourist hat mehr von Moskau gesehen“, glaubt er. Zwei weitere junge Deutsche leisten derzeit ihren Ersatzdienst in Moskau bei einer karitativen Einrichtung der Orthodoxen Kirche ab. Das Programm soll trotz finanzieller Probleme fortgesetzt werden. „Weder die Kirche noch das Krankenhaus können einen Ersatzdienstleistenden bezahlen“, erklärte Pfarrer Alf Seippel, Zivildienstbauftragter der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die westfälische Landeskirche will deshalb die Finanzierung der Moskau- Aufenthalte übernehmen.