Ab nach Leipzig mit mehr Musik?

Neuerdings gibt sich der MDR als großer Freund von Jugendradio DT64  ■ Aus Leipzig Nana Brink

Einer der größten Fans des Jugendradios DT64 in Sachsen sitzt in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt. Nicht irgendwo, sondern in der obersten Etage, dicht am Ohr des Intendanten: „Ich bin ein echter Fan. Seit Oktober letzten Jahres bin ich im Amt und habe mir DT64 gründlich angehört. Klar, die müssen weitermachen. Also bin ich zum Intendanten gegangen und habe ihn überzeugt.“ Karola Sommerey, Hörfunkchefin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), ist stolz auf ihren Einsatz in Sachen DT64, um so mehr, als MDR-Chef Udo Reiter noch bis Ende letzten Jahres keine Wellenlänge zu DT64 zeigte. Die Entscheidung fiel in letzter Sekunde: Bis Juni 1992 ist der Jugendkanal jetzt im Sendegebiet der Dreiländeranstalt als „Jugendprogramm des MDR“ auf seiner alten Frequenz zu hören. Bis auf den Zusatz arbeiten die Berliner Macher von DT64 weitgehend autonom, ausgestattet mit Zeitverträgen aus Leipzig. „Mehr können wir erst einmal nicht tun“, sagt die Wellenchefin. Ob DT64 auch am 1. Juli noch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen über den Äther geht, steht in den Sternen. „Es wäre ein großer gesellschaftspolitischer Fehler, dieses Radio abzuschalten“, erklärt Sommerey. Bislang hat das Engagement den MDR nicht viel mehr als besagte imagefördernde Geste gekostet und die offizielle Zusage des Rundfunkrates, DT64 unter der Ägide des MDR weiterlaufen zu lassen. Momentan läuft das Programm auf einer Welle, die laut Staatsvertrag eigentlich den privaten Sendern zukommt. Den Protest der Landesanstalt für den privaten Rundfunk versuchte Intendant Reiter erst einmal abzuwiegeln, indem er um „Duldung“ bat und das Versprechen abgab, nicht länger als bis Ende Juni auf den bisherigen Frequenzen zu senden und „bei Bedarf auch schon vorher diese Frequenzen freizugeben“. Mittlerweile sucht auch der Intendant höchstselbst nach „neuen Lösungen“. Die Hörfunkchefin, langjähriges SPD-Mitglied und wohlgelitten in der CDU-Führungsriege des MDR, hat ihrem „Freund und Dienstherrn“ wohl geflüstert, daß der Jugendsender ein Schnäppchen für den MDR sein könne. „Mit DT64 erreichen wir auch jene Zielgruppe von Jugendlichen, die wir mit unseren anderen drei Massenprogrammen nie bekommen würden.“ Der MDR habe hier ein funktionierendes Team mit einem allseits angenommenen Konzept zur Verfügung. „So schnell können wir gar kein Jugendprogramm machen.“

Was also geschieht nach dem 30.Juni 1992? Klar ist, daß die alte Welle geräumt werden muß, und unmißverständlich ist auch die Absicht der Dreiländeranstalt, in keinem Fall eine der drei MDR-Frequenzen für die landesweite Übertragung von DT64 frei zu machen. So weit ginge die Liebe nun mal nicht. Illusorisch ist ebenfalls die Annahme, der überregional sendende Deutschlandfunk, dem Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf erst kürzlich im Alleingang eine UKW-Frequenz zuschanzte, oder DS Kultur würden zugunsten von DT64 weichen. Die große — sprich überregionale — Lösung strebt der MDR allerdings auch nicht an. Karola Sommerey plädiert für die „kleine Lösung“: Durch die Aufgabe von militärischen UKW- Wellen könnte DT64 zumindest in den großstädtischen Ballungsräumen des Sendegebietes weiterlaufen. Auch wenn sich die Hörfunkchefin optimistisch gibt, scheint sie doch Zweifel am Willen der Länderregierungen zu hegen, den „heillosen Wellensalat“ fristgerecht zum 30.Juni zu ordnen. An die Adresse der Landesregierung gerichtet, spart sie nicht mit Kritik: „Die Frequenz des Deutschlandfunks gehört eigentlich DT64. Der Deutschlandfunk hat seine Aufgabe erfüllt, die Aufgabe von DT64 fängt doch erst jetzt an.“

Der MDR als neuer Freund und Förderer beeilt sich denn auch, für den Fall der Übernahme eine Unabhängigkeitserklärung abzugeben. „Wir werden das Konzept nicht von oben verändern“, versichert die Hörfunkchefin. Allerdings müsse über das „Verhältnis von Wort und Musik schon mal nachgedacht werden“. Sollte DT64 als „Jugendprogramm des MDR“ überleben, müsse das Quartier in Berlin geräumt werden. „Dann muß DT64 nach Leipzig“, selbst wenn die MDR-Zentrale schon aus allen Nähten platzt. „Immerhin hat das Jugendradio hier doch seine meisten Fans“, so Ober-Fan Sommerey.