Mann weiß, welche Sprachen fraugerecht sind

■ Betr.: "Die Mann - Europa braucht eine fraurope Sprache" von Luise Pusch, taz vom 5.2.92

betr.: „Die Mann — Europa braucht eine fraurope Sprache“ von Luise Pusch, taz vom 5.2.92

Sehr geehrte Frau Ludwig Puschine, wäre das Englische die frauenfreundlichste Sprache, dann wäre die Hure die fraulichste Frau. Denn putanum, die Hure ist sächlich. Weiter: Das Englische mißleitet. So kann sich unter „it depends on“ („es hängt ab auf“) außer den stammvergessenen Briten keiner etwas vorstellen, es sei denn Widerläufiges. Und wenn Sie die Frauen ohnehin für verrückt halten, ist das Englische Spitze, aber nur dann. Weiter: Die Syntax ist starr ablaufend wie die französische. Ganz anders das Russische oder Polnische, die Slawica überhaupt, die, will man schon Frausein in der Sprache entdecken und nicht am stillen Örtchen in einem Frauenhaus, sprachlich das Weiblichste ist, was wir vorfinden. Also Ludwig Puschine: Russisch lernen: „Puschina“ und nicht „Pusch“. Prof.Dr.jur.Dr.phil.Hu

bert Rodingen,

Lübeck-Travemünde

Dem Satz: „Von den lebenden Sprachen erfüllt derzeit eher das Englische als das Deutsche, Französische oder eine der anderen europäischen Sprachen die Anforderung nach (Geschlechter-)Gerechtigkeit und Bequemlichkeit“, muß ganz entschieden widersprochen werden.

Ich weiß zwar nicht, was Frau Pusch im Zusammenhang mit einer Sprache unter „Bequemlichkeit“ versteht, es gibt aber in Europa zumindest drei Sprachen beziehungsweise Sprachgruppen, die die Anforderung nach Geschlechter-Gerechtigkeit vollkommen erfüllen: Finnisch (inklusive Karelisch und Lettisch), Ungarisch und Türkisch. Diese Sprachen haben gemeinsam, daß sie keinerlei grammatisches Geschlecht kennen.

Zumindest Türkisch kennt keinen Artikel, und die Geschlechtsneutralität besteht bis weit in den Wortschatz hinein: Für Bruder und Schwester gibt es nur ein Wort, sozusagen „Geschwister“ in der Einzahl. Wenn's denn darauf ankommt, greift man zur Formulierung „Frau- Geschwister“ beziehungsweise „Mann-Geschwister“, oder auch „Frau-Präsident“ und „Mann- Kind“. Hier zeigen sich in der Wortbildung also Gemeinsamkeiten zwischen Türkisch und Esperanto.

Da die türkische Grammatik sehr logisch ist, kaum Ausnahmen kennt und mit zirka 100.000 Wörtern einen — im Vergleich mit 500.000 englischen Wörtern — überschaubaren Wortschatz hat, kann sie relativ leicht erlernt werden. [...]

Außerdem ist Türkisch unter den europäischen Sprachen diejenige, die am weitesten verbreitet ist: Türkisch als Elternsprache wird von einer bedeutenden Minderheit in vielen Industrieländern, aber auch Bulgarien, Griechenland und Iran sowie von der Mehrheit in Aiserbaidschan, Teilen Zentralasiens und Westchina gebraucht, und in weiteren Ländern des ehemalilgen Osmanischen Reiches (zum Beispiel Jugoslawien, Ägypten) teilweise verstanden. Da Türkisch mit lateinischen Buchstaben geschrieben wird, stehen der Umstellung somit auch keine unüberwindlichen technischen Hindernisse (Druckmaschinen der taz!) entgegen. Richard Hund, München