Kirche im Dienst der Pharmaindustrie

Bonn (taz) — Hinter verschlossenen Türen haben Vertreter der bundesdeutschen Pharmaindustrie mit evangelischer und katholischer Kirche ein gemeinsames „Positionspapier zur Arzneimittelversorgung in der Dritten Welt“ erarbeitet. Gestern stellten sie das Schriftstück dann in Bonn vor. Zentraler Vorschlag des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) ist die Bildung eines ständigen Arbeitskreises zusammen mit Patientenvertretern, der „den Arzneimittelmarkt beobachten, Entwicklungen registrieren und Lösungen empfehlen“ soll.

BPI und GKKE sehen die Aufgaben der Pharmaindustrie in der Dritten Welt vorrangig im „Privatmarkt“ für Arzneimittel, während der „öffentliche“ Markt als staatliche Gesundheitsversorgung die Armen und Ärmsten versorgen soll. Die Kirchen wollen insbesondere zur Gesundheitsversorgung in den wenig lukrativen ländlichen Regionen beitragen.

Als Motivation für das gemeinsame Papier nannte GKKE-Vorsitzender Bischof Heinz-Georg Binder die Hoffnung der Kirchen, durch Dialog besser als durch Konfrontation auf die Pharmaindustrie einwirken zu können. Irreführende Werbung und medizinisch unbegründete Indikationsausweitungen für Medikamente würden die Kirchen trotzdem auch künftig kritisieren.

Gudrun Henke von der BUKO Pharma-Kampagne geißelt das Papier: „Nirgendwo wird die direkte Verantwortung der Pharmaindustrie erwähnt. Tatsächlich trägt dieselbe Industrie durch unverantwortliche Vermarktungspraktiken und Sortimentgestaltung entscheidend zu Problemen in der Gesundheitsversorgung in der Dritten Welt bei.“ Chronische Finanzknappheit öffentlicher Einrichtungen führe im Alltag vieler Entwicklungsländer jedoch zu leeren Krankenhaus-Apotheken und zwinge so auch die unteren Bevölkerungsschichten, sich auf dem „privaten“ Markt zu versorgen. Schon 1990 hatte die BUKO festgestellt, daß 60 Prozent des bundesdeutschen Pharmaexports in die Dritte Welt als therapeutisch unsinnig oder sogar gesundheitsgefährdend sind. Auch Rainward Bastian, Direktor des Deutschen Instituts für ärztliche Mission, warnt: „Wir müssen uns davor hüten, das Papier mit der Wirklichkeit zu verwechseln.“ Henry Mathews