WDR — Wir dackeln für Rau

■ Wie der Westdeutsche Rundfunk willfährig der Regierung von Ministerpräsident Johannes Rau zu Diensten steht/ Anruf genügt — und schon werkeln die Rundfunkmacher wie von oben gewünscht

Düsseldorf (taz) — Es war eine kleine Runde, die sich am Abend des 22. Januar — etwa gegen 22 Uhr — in der Düsseldorfer Staatskanzlei zusammengefunden hatte. Offenbar erwarteten die meisten Journalisten von dem Hintergrundgespräch mit NRW-Ministerpräsident Rau und dem tschechischen Ministerpräsidenten Pithart nichts Bedeutsames. Ganze fünf Kolleginnen nahmen an dem Gespräch teil. Am Ende dankte Rau den anwesenden Journalisten und denen, „die nicht gearbeitet haben“, wobei er namentlich den WDR und dpa nannte. Auf der Redaktionskonferenz des WDR-Landesstudios Düsseldorf war der Besuch schon am Tag zuvor nicht besonders hoch gehängt worden. Ein knapp einminütiger Nachrichtenfilm im WDR 3, so der Beschluß, sei angemessen. Der Leiter der Programmgruppe Aktuelles, Harald Brand, stimmte zu.

Am Morgen nach der spätabendlichen Rau- Klage klingelte beim Düsseldorfer WDR-Studioleiter Marcel Gaertner das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Regierungssprecher Wolfgang Lieb. Dabei habe sich Lieb, so verlautbarte vom WDR-Flurfunk, über die mangelnde Präsenz des WDR beschwert und von der Verärgerung des „Landesvaters“ berichtet. Eine Darstellung, die Lieb gegenüber der taz gestern heftig dementierte. Von Beschwerde könne keine Rede sein. Bei dem „freundschaftlichen Gespräch“ sei es um die mangelnde landespolitische Berichterstattung des WDR 3, der inzwischen schon fast ein „Randgruppenprogramm“ mache, insgesamt gegangen.

Ganz schnell gelangte der „Vorgang“ zum WDR-Intendanten Nowottny, der sogleich Rau anrief und ihm versicherte, einen schriftlichen Bericht angefordert zu haben. Wer den Indendanten alarmierte, steht dahin. Sicher ist nur, daß am Ende der vielen Telefonate und „freundschaftlichen Gespräche“ die journalistische Kehrtwende des WDR stand. Dem verantwortlichen Chef vom Dienst, Rolf Kiefer, wurden nun von Brand und dem WDR-Chefredakteur Cornelius Bormann Versäumnisse vorgeworfen, und es erfolgte die Anweisung, sofort ein Fernsehteam loszuschicken, um O-Töne von Rau und dem tschechischen Gast einzufangen. Am Abend ging der Film dann auch über den Sender.

Die schriftliche Stellungnahme für Nowottny, der explizit eine Erklärung für die fehlende Präsenz am abendlichen Pressegespräch verlangt hatte, verfaßte Chefredakteur Bormann persönlich. „Ich habe dem Kollegen Kiefer klargemacht“, so Bormann wörtlich an Nowottny, „daß seine Entscheidung falsch war und er und die Redaktion künftig bei solchen Fällen anders zu entscheiden haben“.

Mit Anweisungen der WDR-Spitze hat Bormann selbst in den vergangenen Jahren einschlägige Erfahrungen gemacht. 1987 wurde Bormann, damals noch Studioleiter in Düsseldorf, gegen seinen Willen und entgegen der einhelligen Auffassung der Redaktion vom WDR-Fernsehdirektor Günter Struve (SPD) angewiesen, eine Regierungserklärung von Rau zur Stahlpolitik im WDR live zu übertragen. Mit einer journalistischen Neubewertung hatte die Übertragung nichts zu tun. Entscheidend war allein ein Brief des damaligen Düsseldorfer Regierungssprechers an Nowottny. Den hatte Rau selbst veranlaßt. In einem „streng vertraulichen“ Vermerk über die vorausgegangene Kabinettssitzung hieß es seinerzeit: „MP [Ministerpräsident Rau, d. Red.] bittet, ihm einen Brief an den Intendanten des WDR [...] vorzulegen, daß er dankbar wäre, wenn die Regierungserklärung zur Stahlpolitik im Hörfunk und im Regionalfernsehen übertragen würde“ ... Walter Jakobs