Aus 150 Millionen 70 gemacht

■ Finanzsenator mit dem Rotstift / Öffentlichkeitsarbeit: „nicht angezeigt“

Akten werden in schweren schwarzen Mappen herumgetragen, mit den Gesetzen in Einklang gebracht, gelesen, gegengezeichnet, ernste Gesichter grübeln in Beratungsrunden, hin und wieder knallt ein Staatsrat die Tür zu - so muß man sich Regierungshandeln vorstellen.

In Bremen geht es lockerer zu. Derzeit wird regiert, ohne daß es einen ordentlichen Haushalt gibt — das geht offensichtlich. Für „neue“ Maßnahmen „mit höchster Priorität“ will der Senat sich noch insgesamt 70 Millionen Mark im Vorgriff genehmigen, auch kein Problem. Nur daß die verschiedenen Ressorts schlappe 150.3 Millionen angemeldet haben, sah der Finanzsenator überhaupt nicht locker und machte seine roten Striche. Am 11. Februar bekamen die Damen und Herren SenatorInnen den vertraulichen Kürzungsvorschlag zugesteckt. Vermerk zur Öffentlichkeitsarbeit: „nicht angezeigt“.

„Die Anträge haben unterschiedliche Qualität in den Begründungen“, mosert der Finanzsenator. Spitzenreiter war das Gesundheitsressort. Der Finanzsenator „beweifelt, daß die Anmeldungen der Höhe nach auch tatsächlich bis zum Sommer 1992 durch Aufträge gebunden werden.“ Aus 38 macht der Finanzsenator 12 Millionen.

Schlußlicht unter den Anmeldern ist der Senator für Finanzen selbst. Für Datenverarbeitung will er sich 1,6 Millionen genehmigen. Die eingehende Prüfung durch den Senator für Finanzen ergibt: Die 1,6 Millionen sind gerechtfertigt. (Der Senator für Finanzen ist damit das einzige Ressort, dessen Forderungen voll vom Senator für Finanzen anerkannt werden.)

Schlecht kommt dagegen die Kollegin Helga Trüpel weg. Da der Etat für den Jugendbereich noch nicht klar ist, werden für „Jugend“ erstmal nur 400.000 Mark genehmigt. Von 8,2 Millionen Anmeldung für Kulturprojekte gerade mal 2,2 Millionen. „Umwelt“ sackt von 10,2 Millionen auf 3, das Bauressort von 17 Forderung auf 5,4 Millionen.

Glück gehabt hat das Ressort Bildung. Es hatte 34 Millionen angemeldet, der Finanzsenator macht sich gar nicht die Mühe, die Projekte im Einzelnen zu bewerten, reduzierte um 2/3 der Summe — bleiben satte 13 Millionen übrig. Merke: Je höher man pokert, desto besser.

Unter Punkt „Hochschulen“ zeigt der Finanzsenator, welche Argumente in der Finanzpolitik noch mehr als Koalitionsabsprachen zählen: „Da die Maßnahmen Bestandteil des Bürgermeisterprogramms sind, werden im Prinzip keine Bedenken erhoben“, schreibt der Finanzsenator.

Kann man Bremen anders regieren als so? Eine „Alternative wird vom Senator für Finanzen nicht gesehen“, heißt es in der vertraulichen Vorlage. Rosi Roland