BEKENNERSCHREIBEN
: So, nun ist es raus!

■ Ich oute meine Stasi-Kontakte, bevor es 'Super‘ tut

Also, was mache ich als zeitnaher Journalist? Ich oute meine Stasi-Kontakte, bevor es ein anderer cleverer Kollege von der 'Super‘ tut. 1968 lebte ich in der APO-Pressekommune in St.Pauli. Wir bekamen öfters Besuch von einem netten Funktionär, der uns mit Büchern, Informationen und Recherchematerial aus der DDR zum Nulltarif belieferte. Als wißbegierige, aber mittellose Studenten nutzten wir diesen Kontakt reichlich. Eines Tages bot mir der Funktionär an, als Fotoreporter für die 'Ostseezeitung‘ in Rostock zu arbeiten. Ich lieferte bis etwa 1970 Reportagen über Themen wie EG-Mißmanagment, Getreidevernichtung, Landwirte in Not und so weiter. In Lübeck-Schlutup brauchte ich nur den Namen des Funktionärs (oder war es ein Stasi-Offizier?) zu nennen, um unkontrolliert durchgewunken zu werden.

Anfang 71 war ich zu einer Betriebsfeier im Interhotel Warnow in Rostock eingeladen. Zu später Stunde und von Wodka beflügelt, freute ich mich laut darüber, daß im Arbeiter-und-Bauern-Staat endlich so schöne Hotels für die Arbeiter und Bauern gebaut werden. Meine Nachfrage, wer von den Anwesenden denn Arbeiter oder Bauer sei, wurde mit eisigem Schweigen quittiert. Als mein Kontaktmann mir später noch ausstehende Honorare und Spesen mit 1:1 in Devisen auszahlte, ahnte ich, daß ich den interessanten Job los war. Üblicherweise wurde ich nämlich zu 50Prozent in Ostmark ausgezahlt, die ich auch im Osten ausgeben durfte.

1985 hatte ich mehrfach unfreiwillig Kontakt mit Vopo- und Stasi-Mitarbeitern. Zusammen mit Inge Kramer arbeitete ich in der DDR illegal an dem Buch Menschen am Fluß , in dem wir die Verschmutzung von Werra und Elbe anprangern. 1986 bekam ich einen Anruf (offensichtlich vom Auswärtigen Amt), in dem ich gewarnt wurde, die Transitwege zu benutzen, da die DDR-Behörden nach mir fahndeten. Am 10.November 1989 meldete ich mich mit Zahnbürste und Schlafanzug am Kontrollpunkt Schlutup zum Haftantritt. Doch da wollte man nichts mehr von mir wissen. So nun ist es raus. Meine Stasi-Akte werd' ich bei Gelegenheit einsehen, um was fürs Familienalbum zu kopieren.

Spaß beiseite; ich hätte mir gewünscht, daß die Aufarbeitung des Dritten Reiches mit seinen millionenfachen Morden nur ansatzweise so gründlich betrieben worden wäre wie nun die Stasi-Aufklärung. Womit ich keineswegs die üblen Unterdrückungsmechanismen der Ex-DDR verharmlosen will. Ich möchte nur dafür plädieren, die ganze Kampagne mit mehr Augenmaß und weniger Fanatismus zu betreiben. Vergangenheitsbewältigung war noch nie unsere starke Seite, und leider kann ich keine Lernfähigkeit feststellen. Günter Zint

Günter Zint lebt und arbeitet als Fotograf in Hamburg.