Volksabstimmung über Tierversuche

■ In der Schweiz fordern Tierschützer ein Verbot für „nutzlose und ersetzbare Versuche“

Berlin (taz) — Mehr als eine Million Tiere lassen jährlich in den Schweizer Labors der chemischen Industrie ihr Leben. An diesem Wochenende sollen sich nun die Eidgenossen in einer Volksabstimmung zu einer neuen Tierschutzinitiative äußern. Der Vorschlag stammt von dem überparteilichen „Schweizer Tierschutz“. Die Gruppe fordert ein Verbot von Tierversuchen, verstärkte Kontrollen und eine Informationspflicht für die Labore. Ausnahmebewilligungen sind jedoch für jene Versuche vorgesehen, die für die Gesundheit von Mensch und Tier „eine erhebliche Bedeutung haben“, wie Tierschützer argumentieren.

„Nutzlose und ersetzbare Tierversuche“ für Kosmetika, Tabakwaren, Kunststoffe und Agrochemikalien sollen verboten werden. Die Initiavtive sieht außerdem ein Beschwerde- und Klagerecht für ausgewählte Tierschutzvereinigungen vor. Dazu ist eine Verfassungsänderung nötig. Nach Ansicht des Kommitees soll dadurch kein Nachteil für die Forschung entstehen.

Hauptverantwortliche für den Massenmord im Labor sind die großen Basler Pharma-Unternehmen, „Ciba-Geigy“, „Sandoz“ und „Roche“. Sie verbrauchen rund 80 Prozent dieser Tiere. Die meisten Opfer (70 Prozent) werden für Forschung und Entwicklung von neuen Stoffen eingesetzt. 29 Prozent der Tiere werden für die Produktion verwendet, aber auch, um Stoffe auf ihre Giftigkeit hin zu testen. Erstaunlich gering ist der Anteil der Tierversuche für die Diagnose von Krankheiten und die Ausbildung von Ärzten: Es sind nur einige tausend Tieren pro Jahr.

In Deutschland sind Versuche für die Entwicklung von militärischen Geräten sowie von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und Kosmetika bereits verboten. Dies hindert die Produzenten jedoch nicht daran, die Stoffe im Ausland, hauptsächlich in den USA, zu testen. Importbeschränkungen für Stoffe, die mit Hilfe von Tierversuchen hergestellt wurden, gibt es nicht.

Die schweizerische chemische Industrie und die bürgerlichen Großparteien bekämpfen die Abstimmungsvorlage; sie befürchten eine Gefährdung der Grundlagenforschung und wirtschaftliche Nachteile für das Land, dem bei einer Verlagerung der Versuche ins Ausland Arbeitsplätze verloren gingen. Vehement wehren sie sich auch gegen das vorgesehene Einspracherecht der Tierschützer. Dadurch würden Industriegeheimnisse öffentlich.

Im Vorfeld der Volksabstimmung — die dritte seit 1978 zum Thema Tierschutz — spielten Emotionen eine wichtige Rolle: Bilder von gequälten Versuchstieren einerseits und leidenden Schwerkranken andererseits täuschen darüber hinweg, daß es eigentlich um ethische Grenzen in der Forschung und Profite in Millardenhöhe geht. Dorothée de Nève