»Ella gleich vorneweg«

■ Das »Zukunftsspektakel Neuköllner Jugendlicher« im Saalbau Neukölln

Ein interessantes Experiment am Abend des 15. Februar im Saalbau Neukölln: In einem großen, bunten Spektakel drücken Jugendliche ihre Ängste, Wünsche und Pläne im Hinblick auf das Jahr 2002 durch Tanz, Musik und Theater aus.

Nach einigen Mühen gelingt es mir, einen Sitzplatz in dem von Menschen überquellenden Saal zu finden. Neben mir wartet eine liebende Mutter auf den Auftritt ihrer Tochter Ella. Um sich die Zeit bis dahin zu vertreiben, führt sie ein angeregtes Gespräch mit ihrer Busenfreundin. Wahrlich, sie macht es mir nicht einfach, die Geschehnisse auf der Bühne zu verfolgen.

Eine Senatssitzung der Zukunft soll es wohl sein, die die Schauspieler auf der am weitesten von mir entfernten Auftrittsfläche abhalten. Die nächste kurze Darbietung findet glücklicherweise unmittelbar vor mir statt und ist eine Pantomime. Ein kleines Marsmännchen irrt über die Erde, sucht Kontakt mit den Menschen, findet aber nur willenlose Sklaven und grausame Herrscher. Enttäuscht kehrt es wieder auf seinen Planeten zurück.

Es folgen Steptanz und eine weitere Senatssitzung, von der ich leider wieder nichts verstehe. Doch dann verstummt die Dame neben mir, denn nun erscheinen einige Mädchen auf der Bühne, unter ihnen auch Ella. Gekleidet nach der Mode der fünfziger Jahre, beginnen sie eine Reise in die Zukunft. Sie machen in den verschiedenen Jahrzehnten halt und tanzen zu den Hits der jeweiligen Zeit: »Ella gleich vorneweg«, höre ich die stolze Mutter zu meiner Linken. Angekommen im Jahre 2002, finden die Reisenden eine zerstörte Erde vor.

Es ist bezeichnend, aber nicht neu, daß die Kids weniger Wünsche als Ängste äußern. Die meisten Zukunftsvisionen stellen eine noch mehr verhärtete, kalte Welt dar. Um die Kulisse des Grauens zu vervollkommnen, entwickelt die Frau neben mir nun ihre Ansichten über das Entstehen von Rassismus. »Von nichts kommt nichts«, sagt sie. Das bezieht sich auf einige halbwüchsige Türken, die sich etwas lauter unterhalten, als es ihr angenehm ist.

Die Veranstaltung ist der Höhepunkt eines Projektes der Jugendarbeit im Kirchenkreis Neukölln. Es wurde durch Mittel aus dem Experimentierfonds der Senatsverwaltung für Jugend und Familie unterstützt. Unklar ist, ob es eine Fortsetzung finden wird. Für dieses Mal ist das »Zukunftsspektakel Neuköllner Jugendlicher« nach drei Stunden beendet und mein Konzentrationsvermögen völlig erschöpft. I.B.