Beschämte Mehrkämpfer

■ Christian Schenk schilt den DLV ob seiner dubiosen Doping-Politik

Charlottenburg. Ein erstklassiges Teilnehmerfeld hatte sich am Wochenende angesagt zum 12. Internationalen Hallenmehrkampf. Bei den Männern immerhin elf Landesmeister sowie Vizeeuropameister Deszö Szabo, im Fünfkampf der Frauen traten nicht nur die Europacupsiegerin Peggy Baer, sondern mit Irina Belova (Rußland) und Liliana Nastase (Rumänien) auch zwei Athletinnen auf, die einander seit Wochen den Hallenrekord streitig machen. Die deutschen Teilnehmer mußten sich zudem für die Teilnahme an den in zwei Wochen beginnenden Halleneuropameisterschaften in Genua qualifizieren.

Typisch für die Pseudo-Olympiastadt Berlin: am ersten Tag erschienen nur 20 BesucherInnen. In dieser trostlosen Atmosphäre griffen die Sportler zur Selbsthilfe und feuerten sich und das Publikum an, denn der Mehrkampf lebt von der Show.

Doch die deutschen Mehrkämpfer sind es gewohnt, alles selbst in die Hand zu nehmen. Sie sind, Novum in der deutschen Leichtathletikgeschichte, selbständig organisiert, wurden vom DLV zunächst mißtrauisch als Konkurrenten betrachtet und schließlich vom Verband bei der WM in Tokio anerkannt. Denn die Richtung des »Zehnkampf e.V.« ist durchaus eigensinnig: alle 14 Tage wünschen die Sportler auf Doping kontrolliert zu werden. In der eigenen Zeitschrift 'Zehnkampf‘ wird überdies vierteljährlich die »Banane« an Personen verliehen, die sich durch »besondere Dummheit/Inkompetenz rund um den Zehnkampf verdient gemacht haben«. Da ist öfter mal ein DLV-Offizieller stolzer Preisträger.

Christian Schenk ging denn auch angesichts der Dopingfälle innerhalb der Springstein-Gruppe hart zur Sache: »Ich schäme mich, unter einem solchen Vorstand zu arbeiten. Der DLV akzeptiert Höchstleistungen so lange, wie das Doping zu vertuschen ist!« Die Spitze des Deutschen Leichtathletik-Verbandes sähe er gerne ausgewechselt, denn »da tut keiner dem anderen weh, jeder will den anderen decken!«

Gerade im Fall Krabbe und Co. sei die Wendehalsigkeit der Funktionäre wieder klargeworden, wurde nicht schnell genug reagiert und altbekannte Hinhaltetaktik angewandt. Zu diesem Zeitpunkt war die Suspendierung der Leichtathletinnen noch nicht bekannt, und keiner konnte ahnen, daß man am Abend in allen TV- Programmen plötzlich die wohl lange versteckt gehaltenen häßlichsten Fotos der »Grace Kelly« des Sports sehen würde. Aber das Thema Doping ist damit wohl noch lange nicht abgeschlossen. Und Schenks harte Worte in Richtung DLV kommen nicht von ungefähr; als es im Zehnkampf-Team vor kurzem einen Steroid-Fall gab, bat man den Verband um Hilfe, die er für Januar zusagte. Doch bis heute ist nichts passiert.

Überschattet wurde die Veranstaltung noch von zwei Unfällen beim Stabhochsprung: Thorsten Dauth, Fünfter nach fünf Disziplinen, landete nach einem mißglückten Versuch so unglücklich auf der Matte, daß er ein Schleudertrauma und Brustwirbelprellungen erlitt, der Engländer Simon Shirley knallte aus über vier Meter Höhe auf den Hallenboden, er brach sich das Handgelenk. Doch es konnte auch gefeiert werden: Irina Bjelowa stellte mit 4.991 Punkten einen neuen Hallenweltrekord auf, den sechsten in der Geschichte des Meetings. Elke Wittich