Eine Nachwahl besonderer Art

Im südafrikanischen Potchefstroom geht es darum, wer künftig die Weißen vertritt  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Am 19. Februar wählen 24.000 weiße Einwohner von Potchefstroom, 150 Kilometer westlich von Johannesburg, einen neuen Parlamentsabgeordneten. Aber dies ist keine normale Nachwahl, zumal die Bedeutung des Parlaments drastisch nachgelassen hat. Wichtige Entscheidungen werden jetzt in den Mehrparteienverhandlungen des „Konvents für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa) getroffen. Und dennoch wirft die ultrarechte Konservative Partei (CP) alles in den Kampf, um der regierenden Nationalen Partei (NP) das Mandat zu entreißen. Und die NP schlägt mit allen Mitteln zurück. Denn es geht darum, wer in dieser kritischen Etappe der südafrikanischen Geschichte die Weißen vertritt.

„Bei dieser Wahl geht es darum, wer für das weiße Südafrika spricht“, sagt denn auch der CP- Kandidat Andries Beyers. „Aber letztendlich ist es nur eine einzelne Schlacht in dem andauernden Freiheitskampf unseres Volkes.“ Damit meint Beyers das Ziel der CP und anderer ultrarechter Gruppierungen, einen rein weißen Staat zu erreichen, in dem Schwarze lediglich als Arbeitskräfte geduldet werden.

Der NP-Kandidat Theuns Kruger sagt auch, daß es nicht um ein Parlamentsmandat geht. Immerhin wird das derzeitige Parlament spätestens in zwei Jahren verschwinden und möglicherweise schon dieses Jahr von einer Interimsregierung vollkommen marginalisiert werden. „Es ist wichtig, daß diese Stadt dem Land ein positives Zeichen setzt“, sagt Kruger. Die NP würde einen Sieg in Potchefstroom als Bestätigung ihrer Reformpolitik interpretieren, als Unterstützung der Weißen für die Demokratisierung des Landes und die politische Gleichberechtigung der schwarzen Mehrheit.

Ein Sieg der NP würde es der Regierung erlauben, Verhandlungen aus einer Position der Stärke zu führen, sagte Präsident Frederik de Klerk am Donnerstag in Potchefstroom. „Die Regierung und die NP werden nicht zulassen, daß Chaos in diesem Land ausbricht“, versuchte de Klerk die Ängste der Weißen zu beruhigen. „Wir werden dieses Land regieren und unsere Macht nutzen, bis eine neue Regierung aufgrund einer neuen Verfassung an die Macht kommt — und wir planen, Teil dieser neuen Regierung zu sein.“

Wichtig ist die Nachwahl auch bei der Diskussion um ein Referendum, in dem die Wähler wahrscheinlich die von Codesa erarbeiteten Reformen billigen sollen. Unter de Klerk besteht die NP darauf, daß zwar Schwarze und Weiße an einer solchen Abstimmung teilnehmen, daß aber die Stimmen der Weißen separat ausgezählt werden sollen. Das würde bedeuten, daß die Ablehnung der Weißen das Reformprogramm stoppen könnte; die Weißen hätten ein Veto. Offen bleibt dabei, ob tatsächlich eine Mehrheit der Weißen die Reformen unterstützt. Potchefstroom wird dabei einen wichtigen Hinweis geben. Die meisten Beobachter meinen, daß ein Sieg der NP in Potchefstroom unwahrscheinlich ist. Der bisherige NP-Vertreter, der verstorbene ehemalige Polizeiminister Louis La Grange, galt als harter Politiker, der in seinem Heimatort starke persönliche Unterstützung hatte. Der neue NP-Kandidat ist jung und reformorientiert. Zudem spielt kurzfristige Unzufriedenheit unter Wählern in Nachwahlen immer eine große Rolle. Die Rezession der südafrikanischen Wirtschaft, weitverbreitete Kriminalität und eine für viele Farmer verheerende Dürre tragen zu der Unruhe unter weißen Wählern bei. Diese Faktoren räumte de Klerk am Donnerstag selbst ein. „In einer Nachwahl wissen die Wähler, daß sie keine Regierung wählen“, sagte er. „Deshalb wird ihre Wahlentscheidung oft von ihren Beschwerden beeinflußt.“