Irakische Bomben aus Bremen?

■ Ein Deal, der nicht zustande kam: 500 Tonnen Graphit geordert

Das Faxgerät piepste, als wäre es eine normale Bestellung, die da gerade über den Äther gekommen war. Hans Schulz (Name geändert), Kaufmann aus Bremen, hatte aber einen Auftrag ins Haus bekommen, der bei ihm „alle Alarmglocken schellen“ ließ.

Der Absender, eine Firma aus Jordanien, fragte an, ob Schulz nicht 500 Tonnen Graphit vermitteln könnte. Kein gewöhnliches Graphit, versteht sich. Das Gewünschte sollte für eine Temperatur bis zu 1.800 Grad geeignet und auf eine elektrische Leistung von 50 Megawatt ausgelegt sein. Das Material sollte weiter in 500 Millimeter langen Stäben abgepackt und pro Stück nicht mehr als 500-600 Kilogramm wiegen. Zu liefern per Schiff gegen Kost und Fracht bis Akaba, Jordanien.

Die Bestellung stank. Zwar besteht gegen Jordanien kein Handelsembargo, doch Graphit in der Form, wie es den Anforderungen des Auftraggebers entspricht, ist eine brisante Substanz. Schulz selber war schon die Idee gekommen, daß die Auftraggeber „damit keine Bleistifte bauen wollen“, und der Bremer Physiker Jens Scheer bestätigte den Verdacht: Eine solche Menge Graphit könnte zur Neutralisierung von Neutronen in einem Atomreaktor verwendet werden. Die angegebene Menge weise auf einen sehr großen Reaktor hin.

Voraussetzung dafür ist eine bestimmte Reaktorbauweise, nämlich die des sog. „ graphitmoderierten“ Reaktors. Hier wird Graphit in Stäben zwischen die Brennelemente gefahren und so die Neutronen des Spaltstoffes neutralisiert. Graphitmoderierte Reaktoren wurden in der ehemaligen UdSSR gebaut (Tschernobyl!). Ihr Konstruktionsprinzip: Man kann während der Betriebszeit atomwaffenfähiges Plutonium aus dem Reaktor entnehmen.

Schulz wird nicht liefern, und die Bremer Zollfahndung ist bereits eingeschaltet. Denn der Verdacht liegt nahe, daß die jordanische Lieferadresse im Auftrag eines Dritten bestellt hat: Des Irak. „Bei Lieferort Jordanien leuchtet bei uns eine rote Lampe auf“, erklärt der Leiter des Zollfahndungsamtes Bremen. Die Handlungsspielräume des Zolls sind aber beschränkt: Wenn die gelieferte Ware nicht auf der Liste der Ausfuhrbeschränkungen des Bundesamtes für Wirtschaft in Eschborn steht und die Lieferpapiere korrekt sind, kann die Ware im Ernstfall nicht aufgehalten werden.

Graphit selbst kommt in verschiedenen Formen vor und steht auch auf der Liste der Stoffe, die vor der Ausfuhr in Eschborn genehmigt werden müssen. Im Nuklearbereich ist er bei der Ausfuhr genehmigungspflichtig, wenn der Borgehalt kleiner als 1 ppm (part per million) ist und die Dichte größer als 1,5 Gramm pro Kubikzentimeter. In der Anfrage an Schulz tauchen diese Werte nicht auf. Daß auch andere Firmen in der Bundesrepublik die Einladung bekommen haben, ein entsprechendes Angebot abzugeben, davon ist auszugehen. Ob bereits ein Antrag für die Ausfuhr des Graphits gestellt worden ist, konnte der Sprecher des Bundesamtes für Wirtschaft in Eschborn, Norbert Goworr, nicht bestätigen und nicht dementieren: „Wir können Ihnen diese Frage nur beantworten, wenn Sie uns den Adressaten sagen“, erklärte er auf Anfrage. Bei 60.000 Anträge pro Jahr könne nicht auch noch nach Stoffen registriert werden.

Kaufmann Schulz hat den Golfkrieg noch nicht vergessen. Daß er die Zollfahdung benachrichtigte, anstatt Geschäfte abzuwickeln, ist sicher nicht branchenüblich. Wer hätte das Geschäft gestoppt, wer hätte es stoppen können, wenn es über die Bühne gegangen wäre? mad