»Freiwillig gucke ich keinen Sport«

■ Auf die Olympischen Winterspiele reagieren die Berliner nur mit Gähnen/ »Das ist mir alles zu hochgezüchtet«

Die Olympischen Winterspiele in Albertville lassen die BerlinerInnen kalt. Gelangweilt vom Riesenspektakel, das Unsummen verschlingt, und genervt vom Gerangel um minimalste Vorsprünge, lassen sie ihre Fernsehapparate lieber schweigen. Die Einschaltquoten von ARD/ZDF liegen während der Live-Übertragungen zum Frühstück bei schlappen zehn Prozent. Die taz forschte nach der verlorengegangenen Olympiabegeisterung.

Joachim Kirsch, 50, Angestellter

Ich sehe mir die Übertragungen überhaupt nicht an. Olympia interessiert mich nicht mehr. Das ist mir alles zu hochgezüchtet. Da geht es doch nur noch um Hundertstel von Sekunden. Das finde ich nicht mehr spannend.

Heute wird viel zuviel Wirbel um die Spiele gemacht, viel zu viel Geld reingesteckt. Noch vor vier Jahren habe ich begeistert zugeschaut, habe früher auch selbst Leichtathletik gemacht. Aber langsam wird es mir zu dumm.

Anke, 27, Bürokauffrau, Stefan, 28, Architekt

Wir sind gar nicht sportbegeistert. Wir hören höchstens zufällig mal abends bei den Nachrichten olympische Ergebnisse. Dann freuen wir uns schon mit den Deutschen, brechen aber nicht in Jubel aus. Früher bei den Eltern lief meistens der Fernseher, da haben wir zwangsläufig geguckt. Heute gucken wir freiwillig keinen Sport.

Günther Desse, 54, Geschäftsführer

Ich würde jetzt lieber zu Hause sitzen und Olympia anschauen, aber leider muß ich arbeiten. Für die Sommerspiele würde ich mir sogar Urlaub nehmen. Im Geschäft läuft ein Radio, da höre ich dann ab und zu hin. Wenn wir eine Medaille holen, bin ich total begeistert — allerdings nicht so wie bei Fußball, mit Schreien und so. Zum Glück laufen abends die ganzen Wiederholungen. Die schaue ich mir zum Ärger meiner Frau an.

Evelyn Köcher, 42, Lehrerin

Bei den Olympischen Spielen hat doch heutzutage nur noch weniges wirklich mit Sport zu tun. Da ist mir mittlerweile zu viel Kommerz dabei und vor allem Sensationshascherei.

Außerdem wird man von der Menge der Berichterstattung erschlagen. Ich schaue nur sehr wenig an, allenfalls Eiskunstlaufen, aber nicht wegen der Medaillen, sondern weil mir der Sport gefällt. Eigentlich lese ich lieber.

Christine Krämer, 48, Journalistin

Sport ist nicht mein Leben. Ich habe nie aktiv Sport getrieben und anderes interessiert mich viel mehr als Olympia. Wenn ich neben der Arbeit noch Zeit finde, schalte ich schon den Fernseher an, aber ich gucke im Moment nicht mehr oder weniger, nur weil jetzt die Winterspiele laufen.

Thomas, 37, Baufacharbeiter

Ich muß ja von morgens bis abends arbeiten, und Familie hab‘ ich auch noch. Da ist gar keine Zeit für Olympia. Außerdem bin ich abends zu kaputt zum Fernsehen. Allenfalls die Skidisziplinen interessieren mich. Und die Ergebnisse kriege ich auch so mit. Aber eins muß man ja mal sagen: Ohne die Ex-DDRler würden die Deutschen nicht so viele Medaillen holen.

Mutter Groschke, 71, Rentnerin

Wenn die Chancen gut stehen, daß wir Deutschen gewinnen könnten, dann gucke ich auf jeden Fall fern. Wenn ich dann merke, das wird nichts mit einer Medaille, schalte ich gleich ab. Seit ich Rentnerin bin, gucke ich mir olympische Spiele an. Früher ging es nicht, da mußte ich arbeiten. Umfrage: Sonja Striegl