Ost-Finanzämter machen Pieroth Sorgen

■ Finanzsenator reagiert auf Kritik des Rechnungshofs/ »Aufbauschwierigkeiten größtenteils beseitigt«/ Neue Lücken in Finanzämtern des Westteils/ Bedient wird nur noch, wer schreit

Berlin. Die Fälle, in denen Ostberliner Steuerzahler ungenehmigt Geld von Konten der Finanzämter abgebucht hätten, seien inzwischen sämtlich »bekannt«. Sie würden »überprüft« und gegebenenfalls »berichtigt«. Mit dieser Zusicherung reagierte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) gestern auf die Kritik des Landesrechnungshofs an der Arbeit und der Austattung der Ostberliner Finanzämter, über die die taz gestern berichtet hatte. Die meisten Aufbauschwierigkeiten der »ersten Wochen und Monate« seien beseitigt, versicherte der Senator. »Sorgen« bereite ihm nach wie vor die »Unterbringung« der Ämter. Es fehle nicht nur an Räumen, sondern auch an Büromöbeln.

Die personelle Austattung der Ämter sei hingegen mit mittlerweile 2.317 Stellen »gut«, versicherte Pieroth. Gemessen an der Zielzahl von 3.500 Stellen, die 1995 erreicht werden solle, habe man bereits 70 Prozent der erforderlichen Stellen geschaffen.

Beschäftigte der Westberliner Finanzämter erheben unterdessen neue Vorwürfe gegen den Finanzsenator. Um die Löcher in den Finanzämtern des Ostteils zu stopfen, habe Pieroth große Lücken in den Ämtern des Westteils aufgerissen. Im Finanzamt für Körperschaften I, das für Firmen im Westteil der Stadt zuständig ist, müsse jeder Sachbearbeiter inzwischen 460 Fälle bearbeiten, fast doppelt so viele, wie ein Bearbeiter wirklich bewältigen könne, sagte die Personalratsvorsitzende Hannelore Jacobsen zur taz. 1989 seien es noch 320 Fälle gewesen. Die Finanzbeamten seien gezwungen, nach dem Prinzip »wer schreit, der wird bedient« zu arbeiten. Neugegründete Firmen würden in der Regel erst nach neun Monaten veranlagt und Vorauszahlungen für Gewerbe- und Körperschaftssteuer nicht rechtzeitig festgesetzt. Auch Fälle, in denen eigentlich Steuernachzahlungen verlangt werden müßten, würden nicht mehr verfolgt. »Dadurch gehen echte Gelder für den Haushalt verloren«, klagte Jacobsen.

Insgesamt, so Klaus-Dieter Gössel von der ÖTV, arbeiteten zur Zeit etwa 200 Mitarbeiter der Westberliner Finanzämter im Ostteil, 142 davon seien auf Dauer abgeordnet. Diesen »Aderlaß« könnten die Finanzämter im Westteil nur schlecht verkraften, da hier ohnehin nach offizieller Rechnung 520 Stellen fehlten. Darüber hinaus, so Jacobsen, wanderten qualifizierte Kräfte immer häufiger in die freie Wirtschaft ab.

Die Folgen dieses Personalmangels träfen jedoch nicht alle Steuerzahler gleichermaßen, klagen Finanzbeamte: Während Unternehmen zu spät zur Kasse gebeten würden und dadurch auf Kosten der Landeskasse Zinsen sparten, müßten Lohnsteuerzahler länger als früher auf Erstattungen warten — und verlören Zinsen. hmt