Außer Spesen nichts gewesen

■ Anhörung zur Richterauswahl brachte für den Fall Junge keine neuen Erkenntnisse/ Praxis in den fünf neuen Ländern wesentlich liberaler als in Berlin/ Anzeige wegen Freiheitsberaubung gegen Junge

Berlin. Der rechtspolitische Sprecher der CDU, Andreas Gram, war »gar nicht glücklich, daß der Rechtsausschuß berät und der Senat entscheidet«. Das parlamentarische Gremium war gestern nachmittag zusammengetreten, um im Streit um die Berufung der sogenannten »PDS- Richterin« Cathrin Junge dem Kompromiß des Koalitionsauschusses Rechnung zu tragen. Das Krisengremium der Großen Koalition hatte sich vor zwei Wochen darauf geeinigt, zur Überprüfung der Einstellungspraxis eine Anhörung der Justizminister der fünf neuen Länder durchzuführen. Im Lichte dieser Erkenntnisse sollte dann der Fall Junge zügig entschieden werden.

Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Burkhard Cornelius, fragte sich in der gestrigen Sitzung, warum bei dieser Verfahrensweise nicht der Koalitionsausschuß selbst statt der Rechtsausschuß die Anhörung durchführe. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen/Bündnis 90, Renate Künast, sprach von einem massiven Mißbrauch des Parlaments, um der Koalition aus der Krise zu helfen. Es sei zudem eine »bodenlose Unverschämtheit« gegenüber den geladenen Justizministern. Diese waren zu der gestrigen Sondersitzung des Rechtsausschusses allerdings erst gar nicht erschienen. Statt dessen entsandten sie ihre zuständigen Referats- und Abteilungsleiter. Lediglich aus Brandenburg war der Vorsitzende des Richterwahlausschusses, Diether Bischoff, gekommen. Der maß der »Informationsveranstaltung« anscheinend wenig Bedeutung bei, sei man doch in Brandenburg inzwischen »durchweg am Ende unserer Verfahren«.

Dort wurden von 242 Richtern 51 Prozent berufen, bei den Staatsanwälten lag die Quote gar bei 67 Prozent. Ähnlich hoch ist die Berufungsrate auch in den anderen neuen Bundesländern. Sie liegt damit deutlich höher als in Berlin. Hier wurden bislang lediglich elf Prozent der Richter übernommen. Während in Mecklenburg-Vorpommern die Parteizugehörigkeit nicht Gegenstand des Bewerbungsverfahrens ist, wird in Brandenburg auch nach der Mitgliedschaft in der PDS gefragt. Allerdings sei diese kein Ablehnungsgrund gewesen, ist doch, wie Bischoff bekundete, die SED-Nachfolgepartei selbst im Richterwahlausschuß überproportional vertreten. Vielmehr wollte man auf Basis dieser Angaben prüfen, inwieweit sich ein Bewerber glaubhaft von den Prinzipien des Leninismus gelöst habe. In Brandenburg wurden zur Bewertung der Kandidaten Haftbefehle, die sie ausgestellt haben, nicht zur Grundlage genommen. In Mecklenburg-Vorpommern wurden gar Richter übernommen, die Urteile in Verfahren zur Republikflucht gesprochen haben.

Gram sah allerdings auch nach der Anhörung keinen Grund, von der bisherigen Haltung der CDU-Fraktion im Fall Junge abzuweichen. Immerhin bestehe nach wie vor der Vorwurf gegen die Richterin, bei ihrer Bewerbung Falschangaben wegen ihrer Parteimitgliedschaft gemacht zu haben. Argumentative Schützenhilfe bekam Gram gestern von bislang unbekannter Seite. Ein Rechtsanwalt hat Anzeige wegen Freiheitsberaubung gegen Frau Junge gestellt. Bislang wurde in derartigen Fällen das Ergebnis des Verfahrens abgewartet.

Justizsenatorin Limbach will nun erst mal prüfen, ob sie die Ernennung von Frau Junge so lange aussetzen wird, bis das Verfahren wegen Freiheitsberaubung entschieden sein wird. dr