Der Todesstreifen wird privatisiert

■ Die Besitzer von Häusern, die im Zuge des Mauerbaus enteignet wurden, können auf Entschädigung hoffen/ Der Bund soll Milliarden zahlen

Berlin. Die Haus- und Grundstückbesitzer, die wegen des Mauerbaus 1961 von ihrem Besitz vertrieben und später enteignet wurden und laut Einigungsvertrag keinen Anspruch auf eine Rückerstattung oder Entschädigung haben, können wieder Hoffnung schöpfen. Dafür sorgte eine entsprechende Äußerung des Justizministers Kinkel(FDP) in Magdeburg. Auch beim Senat, der dies seit längerem fordert, ist man erfreut. Die Senatsverwaltung für Finanzen setzt sich dafür ein, daß ihre Restitutionsansprüche in das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen aufgenommen wird. Die Initiative liegt derzeit zur Prüfung beim Senator für Justiz, soll dann als gemeinsamer Antrag der beiden Häuser im Senat beschlossen und an den Bundesrat weitergeleitet werden. Auch ein gleichlautender FDP-Antrag schmort schon seit vergangenem Sommer in den beiden Ausschüssen »Recht« und »Bund Europa«. Auf den Bund kommen nun allerdings möglicherweise Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe zu.

Wie viele Anträge auf Rückerstattung für Besitz im ehemaligen »Todesstreifen« beim »Amt zur Regelung offener Vermögensfragen« bisher eingelaufen sind, kann Amtsleiter Arno Wegener nicht sagen. Diese Anträge werden nur nach Bezirken und Straßen sortiert, erklärte Herr Wegener. Weil der Grenzstreifen aber rund 155 Kilometer lang war könnten »mehrere tausend«, Anträge schon zusammengekommen sein, gesteht Wegener zu. Bearbeitet wurde allerdings bisher kein einziger. Das ist ein Glück für die ehemaligen Besitzer. Denn nach der geltenden Rechtslage erhalten sie keinen Pfennig Entschädigung, geschweige denn ihre Grundstücke zurück. Sie haben laut Einigungsvertrag keine Ansprüche, weil sie 1961 entsprechend des »DDR-Verteidigungsgesetzes« entschädigt worden sind, wenn auch mit lächerlich geringen Summen.

Von diesem Gesetz profitiert bis heute der Bund. Ihm gehört als Rechtsnachfolger der DDR der ehemalige »Todesstreifen« und auch sämtliches Land an der rund 1.400 Kilometer langen innerdeutschen Grenze. Er ist damit Nutznießer einer Enteignungswelle, die nur deshalb erfolgte, um an der Grenze freies Schußfeld bei der Verfolgung von Republikflüchtlingen zu haben. Daß dies ein Unding ist, hat am Wochenende Justizminister Kinkel auf einem Kongreß des »Bundes der Zwangsausgesiedelten« auch zugestanden. Er versprach in Magdeburg, daß in einem »Zweiten Unrechtsbereinigungsgesetz« auch die Zwangsausgesiedelten entschädigt werden sollen. Der Diskriminierungscharakter von 1961 sei den Justizbehörden erst heute bekannt geworden. Beim Senat wartet man nun auf entsprechende Gesetzesvorlagen von Kinkel. Damit steigen die Chancen des Senats mit seiner Bundesratsinitiative. aku