Splitterbomben gegen Nagorny-Karabach?

Moskau (taz) — Im Kampf um die armenische Enklave Berg-Karabach werfen sich inzwischen Armenien und Aserbaidschan gegenseitig den Einsatz völkerrechtlich verbotener Waffen vor. Mehr als 80 Geschosse, darunter Splitterbomben des Typs „Hagel“, seien in den vergangenen Tagen in Stepanakert, der Hauptstadt der Enklave in Aserbaidschan, eingeschlagen. Die Opfer, so die Stadtverwaltung, waren über 20 Menschen.

Armenische Einheiten beschossen dagegen laut 'Interfax‘ am Sonntag die Stadt Schuscha mit Splitterbomben aus Raketenwerfern des Typs „Orkan“. Insgesamt seien in den vergangenen drei Monaten, so hieß es vor kurzem aus dem Innenministerium, zwanzig Dörfer zerstört oder evakuiert worden.

Die Beteiligung russischer Freiwilliger, eine Behauptung aus Baku, wurde allerdings von armenischer Seite und einem Offizier der im Kaukasus stationierten Russischen Armee dementiert. Armenien gab an, in den letzten beiden Tagen hätte der Gegner 300 Granatwerfer nach Stepanakert, der Hauptstadt Karabachs, transportiert, um eine Offensive zu lancieren.

Ein Mitarbeiter aus der Abteilung „Nationale Frage“ im Apparat des armenischen Präsidenten Ter Petrosjan meldete gestern, auf der türkischen Seite der Grenze zu Armenien sei die 3. Infanteriearmee der Türkei aufmarschiert. Der Befehl sei von der militärischen Führung in Ankara ergangen. Die 3. Infanteriearmee, die normalerweise 400 Kilometer weiter südlich stationiert ist, sei in voller Kampfesstärke aufmarschiert. Die Informationen sollen laut Eriwan von der „sowjetischen“ Aufklärung stammen. Armenien protestiere gegen das Vorgehen der Türkei. Als Nato-Mitglied sei es verpflichtet, die Nachbarn von Truppenbewegungen und Manövern vorab in Kenntnis zu setzen.

Aserbaidschans Präsident Ajas Mutalibow hält sich derweil in Teheran auf. Dort findet ein Treffen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit statt, das der Iran, die Türkei und Pakistan ins Leben gerufen haben. Aserbaidschan ist eine der sechs ehemaligen moslemischen Sowjetrepubliken, die der Organisation beitreten wollen. Mutalibow sagte, er begrüße die Vermittlungsbereitschaft Teherans oder jedes anderen Staates im Karabach-Konflikt. Doch in Baku ist man skeptisch. Die Volksfront, die einzige nennenswerte oppositionelle Kraft in Aserbaidschan, sieht keine Chance einer friedlichen Beilegung des Konfliktes, solange Mutalibow Präsident ist. Mutalibow habe die Einheiten der Nationalarmee, in denen die Volksfront stark vertreten war, entwaffnen lassen, aus Angst vor einem Erstarken der innenpolitischen Opposition. Klaus-Helge Donath