Vahrer Bad säuft ab

■ Technik uralt, Zustand kritisch, Renovierung teuer, Besucherschwund erheblich

Der Lack im und am Vahrer Herbert-Ritze-Bad ist nach drei Dekaden ab: Die Kacheln fallen von den Wänden, Löcher in den Fenstern sind nur noch notdürftig zugeklebt, und weit gravierender: der technische Zustand hat einen alarmierenden Zustand erreicht, das Bad ist akut von der Schließung bedroht.

Als vor einunddreißig Jahren das Herbert-Ritze-Bad in der Vahr eröffnete, war es für viele Menschen im Bremer Osten wie ein Geschenk. Die vielen jungen Familien, die es damals im Stadtteil rund um das Alto-Hochhaus gab, konnten endlich vor der eigenen Haustür ein neues Freizeitangebot wahrnehmen. Aber auch die älteren „Vahraonen“ begeisterten sich für das einfache, aber moderne Hallenbad: Die Schwimmbecken waren ebenerdig, die Schwingtüren leicht zu öffnen, und die helle, von großen Glasflächen geprägte Atmosphäre machte den Aufenthalt angenehm. Die Besucherzahlen verdeutlichen das: 460.000 Menschen strömten im Jahr 1967 durch die Pforten.

Daß es sich bei dem Hallenbad wirklich um ein Geschenk des Mitbegründers der Vahr, des GEWOBA-Geschäftsführers Herbert Ritze, handelte, ist vielen VahrerInnen noch in guter Erinnerung. Er überließ der Stadt das schmucke Stück für null Mark.

Wie sehr sich die Vahrer BürgerInnen mit ihrem Hallenbad identifizieren, machte die Sondersitzung des Beirates Vahr am Montag deutlich. Einziger Tagesordnungspunkt im überfüllten Saal des Sozialzentrums: Die beabsichtigte Schließung des Herbert-Ritze-Bades am 30. Juni. Daß überhaupt etwas über den Schließungstermin durchgesickert war, ist dem Betriebsrat der Gesellschaft für öffentliche Bäder (GföB), Uwe Bauer, zuzuschreiben, der die Nachricht vo, seinem Geschäftsführer erhalten hatte. Er brachte den Stein bei der letzten Beiratssitzung am 29.1. ins Rollen.

Betroffen von einer Schließung wäre nicht nur die Vahrer Bevölkerung. Das Hallenbad wird außerdem von vielen Sportvereinen mit ihren Schwimm- und Tauchabteilungen sowie 14 Grundschulen genutzt. Besonders die VertreterInnen der Elternbeiräte und der Lehrerkollegien sahen die im Lehrplan festgeschriebene Schwimmausbildung und Gesundheitsförderung vieler Kinder aus dem Bremer Osten unmöglich gemacht.

Innen- und Sportsenator Friedrich van Nispen dementierte auf der Beiratssitzung jede aktuelle Schließungsabsicht und fand: „Niemand ist autorisiert gewesen, derartige Äußerungen zu treffen.“ Er sei nicht gekommen, um Versprechungen zu machen, sondern eine Bestandsaufnahme zu erstellen: „Es gibt keine Schließungsentscheidung, aber wir wissen nicht, woher wir die Mittel hernehmen sollen. So trete ich vor Sie hin.“

Van Nispen als zuständiger Senator ist nebenher auch Aufsichtsratsvorsitzender der GföB. Und dann nahm er gleich allen OptimistInnen im Saal mit nüchternen Zahlen den Wind aus den Segeln. Sein Etat zur Erhaltung der Sportanlagen im Bundesland Bremen beträgt jährlich 3.2 Millionen Mark. Eine Sanierung des Vahrer Hallenbades kostet 8 Millionen, ein Umbau zu einem Freizeit- und Gesundheitsbad stolze 17 Millonen. Drastisch wurde er bei bei der Einschätzung der Betriebstechnik: „Die gesamte Technik ist abgängig und überholt.“ Sein vorläufiger Vorschlag: Die Erstellung eines „Bäderkonzeptes“ und eine wirtschaftliche Expertise. Mehr Zusagen seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht drin.

Peter Naujokat, Geschäftsführer der Gföb, grub den Hoffnungen der Vahrer BürgerInnen noch mehr Wasser ab. Gestiegene Zinssätze, eine veränderte Bevölkerungsstruktur und lediglich 85.000 zahlende BesucherInnen an etwa 340 Betriebstagen im Jahr 1991 seien keine Grundlage für ein Weiterbetreiben der Anlage. Er forderte ein Neukonzept, vielleicht mit einer Überbauung des Gebäudes. Erste Gespräche mit der GEWOBA ergaben laut deren Sprecher Höft bei einer Mischnutzung eines acht-geschössigen Hochhauses eine Entlastung von 4 Millionen Mark. Es bleiben 13 Millionen Finanzierungsbedarf für die große Lösung.

Den Vahrer BürgerInnen blieb bei allen Zahlenspielereien eine große Befürchtung. Sollte schon morgen ein wichtiges Aggregat der Betriebstechnik ausfallen, ist das Herbert-Ritze-Bad erst einmal dicht. Einige sprachen von einer Hinhaltetaktik der Verantwortlichen und der systematischen Verrottung des Bades, die alle Planungen hinfällig machen könnte. Das gefiel van Nispen nun gar nicht. „Ich mache eine nüchterne Eröffnungsbilanz“, wetterte der Senator, „ich schenke ihnen reinen Wein ein.“ Dem einstimmigen Beschluß des Beirates Vahr zur Erhaltung des Bades folgt in drei Monaten dann das neue Bäderkonzept. Abwarten ist die Devise.

Jürgen Francke