Die Anderen: Der Standard

■ betr.: Die liberale Wiener Tageszeitung zu den täglich neuen Stasi-Enthüllungen

Die liberale Wiener Tageszeitung zu den täglich neuen Stasi-Enthüllungen:

Natürlich bedarf es nicht nur einer Durchleuchtung der SED-Beziehungen von Prominenten, wie der des PDS-Chefs und Anwaltes Gregor Gysi und jener des Ministerpräsidenten und Kirchenmannes Manfred Stolpe. Was dabei bisher fehlt, ist Augenmaß und die Wahrung der Proportionen bei der Aufarbeitung der Stasi-Akten. So wie es zweifelhaft ist, sich beim Mordprozeß gegen Mielke auf NS-Akten allein zu stützen, sollte den Karteiblättern der DDR-Diktatur nicht die späte Ehre der unanfechtbaren Wahrheit zugesprochen werden. Auch in Westdeutschland, ja, in Westeuropa insgesamt, wird es langsam Zeit, vom hohen Roß herunterzusteigen, die Aufarbeitung des DDR-Erbes nicht den Opfern des Regimes allein zu überlassen. Nein, die Stasi-Debatte müßte mit mehr Augenmaß geführt werden. Sie geht nicht nur die Deutschen im Osten des wiedervereinten Landes etwas an. Wer über sie allein den Stab bricht, fällt ein Urteil, das gewogen und als zu leicht befunden werden wird.