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: Torpedierungsstrategie

■ Mit der Offensive im Südlibanon zielt Israel auf eine Verzögerung der Nahostkonferenz ab

Angesichts der jüngsten Ereignisse im israelisch-libanesischen Grenzgebiet wird allenthalben die „erneute Eskalation der Gewalt im Nahen Osten“ beklagt. Der israelisch besetzte Südlibanon wird seit Jahren euphemistisch als „israelische Sicherheitszone“ bezeichnet. Für die Bewohner dieses Gebietes und der nördlich angrenzenden Region ist dieser Ausdruck blanker Hohn. Israelische Luftangriffe, Hausdurchsuchungen und Entführungen gehören seit Jahren zum Alltag.

Worin besteht also die „Eskalation“? Seit zwei Tagen wird permanent geschossen, nicht nur von israelischer Seite, sondern auch von der libanesischen Hizbollah, deren Generalsekretär am Sonntag von israelischen Hubschrauberpiloten umgebracht wurde. Diese schiitische Gruppierung ist die einzige, die nach den libanesischen Entmilitarisierungsverhandlungen im letzten Jahr nicht entwaffnet wurde. Sie konnte erfolgreich geltend machen, eine Widerstandsorganisation gegen die israelische Besetzung des Südlibanon zu sein. Indem er eine neue Front gegen die Hizbollah eröffnet, präsentiert Schamir der Beiruter Regierung jetzt die Rechnung für diese „Nachgiebigkeit“ und führt ihr die Machtlosigkeit im eigenen Land vor Augen.

Schon die wiederholte Erklärung der israelischen Regierung, sie werde ihre Truppen aus dem Südlibanon nicht abziehen, dämpfte die Hoffnung auf eine Verständigung zwischen Libanon und Israel. Mit der „Eskalation“ der Kämpfe wird es die Beiruter Regierung nun noch schwerer haben, ihre Beteiligung an der Nahostkonferenz zu rechtfertigen. Indirekt verengen die israelischen Angriffe im Südlibanon aber auch den politischen Spielraum der palästinensischen Delegation — und zwar gegenüber den Flüchtlingen im Libanon, und damit der PLO. Die Befürworter von Verhandlungen mit Israel sind wegen der beschleunigten Kolonisation der besetzten Gebiete ohnehin mit wachsendem Widerstand aus den eigenen Reihen konfrontiert. Angriffe auf Flüchtlingslager verschärfen diese Zerreißprobe. Die Verhaftung zweier Delegationsmitglieder ist aber die bislang drastischste Maßnahme der israelischen Regierung, die Palästinenser zum Abbruch der Gespräche zu zwingen.

Wegen des Wahlkampfes steht Schamir unter dem Druck, die nach wie vor fragliche Kreditzusage der USA durch Wohlverhalten am Konferenztisch abzusichern. Zugleich muß er die Siedler zufriedenstellen, um nicht Stimmen aus dem ganz rechten Lager zu verlieren. Für ihn liegt es daher nahe, die Konferenz weiter zu verzögern, indem er seine arabischen Gegner zum Ausstieg bringt. Nina Corsten