Nahost-Konferenz unter Beschuß

■ Palästinenser verschieben Abreise in die USA, nachdem zwei ihrer Delegationsmitglieder in der Westbank verhaftet wurden/ Anhaltende Gefechte im israelisch-libanesischen Grenzgebiet

Tel Aviv/Beirut (taz/ap) — Die palästinensische Delegation hat ihre Abreise zur vierten Runde der Nahost-Konferenz in Washington auf unbestimmte Zeit verschoben. Damit reagierte sie auf die Festnahme von zwei Mitgliedern ihrer Delegation durch die israelischen Militärbehörden. Einer der beiden, Jamal Schuwaki, wurde in Betlehem verhaftet, wenige Stunden nachdem er sich im US-Konsulat als Delegationsmitglied registrieren ließ. Der andere, Muhammad Hourani, war bereits am 9. Januar festgenommen worden. Beide befinden sich in ohne Anklage in sogenannter Verwaltungshaft, die bis zu sechs Monaten ohne richterlichen Bescheid andauern kann.

Der Wortführer der Palästinenser in Ostjerusalem, Faisal Husseini, sagte gestern auf einer Pressekonferenz, die Abordnung werde nicht, wie geplant, heute nach Amman reisen. Von dort aus wollten sich die Palästinenser ursprünglich am Samstag nach Washington begeben, wo die Gespräche am Montag beginnen sollen. Husseini und die Sprecherin der Delegation, Hanan Aschrawi, begründeten die Entscheidung mit „israelischen Provokationen“. Frau Aschrawi warf der Regierung in Jerusalem vor, mit den Festnahmen der palästinensischen Delegierten, dem Bau jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten und den geplanten Deportationen von Arabern die Verhandlungen torpedieren zu wollen.

Frau Aschrawi deutete allerdings die grundsätzliche Bereitschaft der Palästinenser zur Fortführung der Gespräche an. Husseini werde noch im Laufe des Tages nach Amman reisen und dort mit Vertretern der jordanischen Regierung und der PLO sprechen, sagte sie. Wenn die beiden Delegierten freigelassen würden, stünde einer Abreise nichts im Wege. Man habe die Schirmherren der Nahost-Konferenz, die USA und Rußland, aufgefordert, sich für ihre Freilassung zu verwenden.

Seit die israelische Luftwaffe den Generalsekretär der schiitischen Hizbollah, Abbas Mussawi, durch eine gezielte Aktion vor drei Tagen ermordet hat, steht der weitere Friedensprozeß ohnehin in Frage. Wie der Sprecher der UN-Truppen im Libanon bestätigte, kam es gestern weiterhin zu schweren Gefechten im libanesisch-israelischen Grenzbereich. Kämpfer der Hizbollah sollen den nördlichen Teil Israels mit 65 Katjuscha-Raketen beschossen haben, während das israelische Militär angebliche Stellungen der Hizbollah mit mehr als 100 Granaten unter Feuer genommen haben soll. Obwohl die israelische Luftwaffe den Südlibanon in den letzten Monaten mehrfach bombardiert hat, war es das erste Mal seit fast einem Jahr, daß der Norden Israels von der libanesischen Seite beschossen wurde. Die libanesische Regierung forderte inzwischen eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats, in der die Ermordung des Generalsekretärs behandelt werden soll. Obwohl der Libanon ebenso wie die anderen arabischen Staaten eine Teilnahme an der nächsten Nahost-Runde zugesagt hat, führten die neueren Ereignisse zu einer Kontroverse. Libanesische Persönlichkeiten, wie der Drusen- Führer Jumblat, sehen die bevorstehenden Nahost-Verhandlungen bedroht. Außenminister Fariz Bueiz warnte davor, die Verhandlungen abzubrechen. „Wir dürfen nicht in die israelische Falle treten, indem wir keine Delegation zu den Gesprächen schicken. Zweifellos möchte Israel provozieren, um die libanesische Delegation zu einer Absage der Gespräche zu veranlassen. Denn die Verhandlungen können Israel in Bedrängnis bringen“, erklärt er der libanesischen Zeitung 'Al-Hayat‘.

Warum die israelische Armee gerade Mussawi zum Ziel eines Attentats gemacht hat, könnte mehrere Gründe haben. Mussawi war an den Verhandlungen zur Freilassung der westlichen Geiseln im Libanon beteiligt und befürwortete sie. In Israel hat man ihm übelgenommen, daß dabei die israelischen Forderungen nach Freigabe ihrer gefangenen Soldaten nicht berücksichtigt wurden.

Der damalige israelische Unterhändler Uri Lubrani ließ sich besonders scharf über den getöteten Schiitenführer aus: „Er war der Kopf der Giftschlange.“ Experten glauben, daß es gerade Mussawis pragmatische Politik war, die ihn zum Opfer des israelischen Angriffs werden ließ. Er wollte seine Partei aus der Isolation des „bewaffneten Kampfes“ gegen die israelische Besatzungsmacht befreien und plädierte dafür, sich in Zukunft als politische Partei zu profilieren. Ein Zeichen dafür war, daß er für eine Beteiligung am nächsten libanesischen Wahlkampf eintrat. Ein israelischer Experte bedauerte den Tod Mussawis. Gerade der Umstand, daß ihn israelische Soldaten umgebracht hätten, gebe den „Dogmatikern“ in der Organisation wieder Auftrieb. Angeblich wurde der einzige Überlebende unter den israelischen Gefangenen im Libanon, Ron Arad, gestern als „Vergeltung“ für das Attentat auf Mussawi von Mitgliedern der Hizbollah ermordet. A.W./K.G.