Polens Finanzminister nimmt den Hut

■ Lutkowski reagiert auf das neue Wirtschaftsprogramm der Regierung/ Rezession soll bekämpft werden

Warschau (taz) — Wegen tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten mit der wirtschaftspolitischen Linie hat Polens Finanzminister Lutkowski seinen Rücktritt eingereicht. Die Demission des Wirtschaftsprofessors, der in seinen Ansichten dem früheren Regierungschef Balcerowicz nahesteht, hat die Diskussion über den von Premier Olszewski gesteuerten Wirtschaftskurs weiter verschärft. Bereits zuvor hatten drei hohe Finanzbeamte, davon zwei Vizeminister, ihren Hut genommen.

Den Grund für ihren Unmut sahen die Regierungsmitglieder in der Vorlage der wirtschaftlichen Leitlinien für das laufende Jahr, die Olszewski und Planungsminister Eysymontt am Montag vorgelegt hatten. Die Regierung will damit nun die Rezessionsbekämpfung in den Vordergrund stellen und dafür die bislang rigide Geldpolitik lockern. So soll der Grundsatz geopfert werden, daß der Leitzins über der Inflationsrate zu liegen habe. Selbst ein Geldmengenzuwachs über der Teuerung wird fest einkalkuliert. Dadurch, so Planungsminister Eysymontt, werde die Konjunktur angekurbelt und die Inflation unter 40Prozent gedrückt. Im vergangenen Jahr betrug die Teuerung über 60Prozent.

Premier Olszewski kündigte zugleich an, der Staat werde künftig die sozial Schwächsten und die Staatsbediensteten stärker als bisher schützen. Teile der Verwaltung hätten bereits ihre Funktionsfähigkeit verloren. Finanziert werden sollen diese Maßnahmen aus Luxussteuern und einer Erhöhung der Verbrauchssteuern; gleichzeitig werden aber die direkten Steuern für Unternehmen gesenkt. Der Export soll gefördert und für Investitionen Steuererleichterungen eingeführt werden.

Olszewski und Eysymontt legten auch ein Bekenntnis zur Reprivatisierung ab. Bis 1995 soll die Hälfte der Staatsindustrie privatisiert sein, bis dahin soll auch die Inflation unter 10Prozent gedrückt werden. Das Haushaltsdefizit solle zugleich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen. Privatisierungsminister Gruszewski erklärte, der Regierung sei weiterhin an ausländischen Investitionen gelegen. Allerdings brauche man mittlere und kleine Investoren; durch einige Kontrakte mit ausländischen Großkonzernen werde nicht viel erreicht. Olszewski gab an, seine Wirtschaftspolitik sei mit dem Internationalen Währungsfonds abgestimmt. Klaus Bachmann