Kleinliche Rüge für das Schwänzen von Landtagssitzungen

■ Für seine monatelange Aufbauhilfe in Kurdistan erntet der grüne Landtagsabgeordnete Siggi Martsch überwiegend Schelte

Düsseldorf (taz) — Die eigene Fraktion gab sich ziemlich reserviert: „Wir bedauern“, daß Siegfried Martsch keinen Antrag auf „befristete Beurlaubung von der Landtagsarbeit gestellt hat“, hieß es in einer Erklärung der Grünen-Fraktionsleitung. Eher kleinlaut wird zur monatelangen Abwesenheit des Fraktionskollegen Martsch Stellung bezogen — von offensivem Beistand keine Spur. Der bei den Grünen nur „Siggi“ gerufene Martsch muß sich weitgehend allein verteidigen. Für Schlagzeilen hat Siegfried Martsch schon manches Mal gesorgt. Zur Biographie des 38jährigen Düsseldorfer Landtagsabgeordneten der Grünen gehört die Mitgliedschaft in einer maoistischen K-Gruppe ebenso wie ein betrügerischer Konkurs. Den hat Martsch lange vor seiner Landtagszeit als Bauunternehmer hingelegt.

Politisch geschadet haben ihm die Schlagzeilen indes nie. Im Gegenteil, es gibt kaum einen Grünen, der auf Parteitagen in NRW regelmäßig mehr Beifall bekäme als der schwergewichtige „Siggi“. Weil Martsch, der linke Populist, die grüne Seele kennt, macht ihm auch das aktuelle Spektakel um seine monatelange, unentschuldigte Abwesenheit vom Düsseldorfer Landtag keine großen Sorgen. Die Partei wird ihm die Kritik des Bundes der Steuerzahler, der im Zusammenhang mit Martsch inzwischen sogar von Verschwendung öffentlicher Mittel spricht, gewiß nicht übelnehmen. Martsch zur taz: „Wenn ich monatelang auf den Bahamas in der Sonne gelegen hätte, dann könnte man gewiß von Verschwendung von Steuermitteln reden, aber bei meiner Aufbauhilfe in Kurdistan, die ich zum Teil unter Einsatz meines Lebens geleistet habe, sind solche Vorwürfe doch wohl absurd.“

Am Dienstag stellte sich der Gescholtene, der seit September letzten Jahres ein Aufbauprojekt der Schweizer Caritas für die kurdischen Flüchtlinge im Norden des Iraks leitete und seitdem an keiner Landtagssitzung mehr teilgenommen hat, der Presse. Unstrittig ist, daß der Abgeordnete gegen die Geschäftsordnung des Landtages verstoßen hat, die im §3 vorschreibt, daß Urlaub über zwei Monate hinaus der „Zustimmung des Landtags“ bedarf. Martsch hat um solche Zustimmung weder ersucht, noch hat er seine Abwesenheit gegenüber der Landtagspräsidentin — wie ebenfalls vorgeschrieben — überhaupt angezeigt. Bei der Präsidentin ging erst am 27. Janauar ein Brief ein, in dem Martsch ankündigte, im Februar für zwei Wochen dem Parlamentstreiben in Düsseldorf beiwohnen zu wollen, um dann wieder bis zum 22. März nach Kurdistan zu gehen. Gestern kündigte Martsch nun an, seine Arbeit in Kurdistan endgültig abgeschlossen zu haben. Der kurzfristige Rückzug, so beteuert Martsch, hänge nicht mit Schlagzeilen in der Regionalpresse zusammen, in denen es hieß: „Grüner kassiert 15.000 Mark für Hilfe im Irak“. Mehr beunruhigt hat ihn offenbar der parteiinterne Tratsch. Bei den Grünen machte die Runde, daß Martsch für seinen humanitären Dienst — neben seinen Abgeordneten-Diäten — pro Tag 500 Mark kassiere. Tatsächlich ist an diesen Gerüchten nichts dran. Insgesamt habe er, so Martsch zur taz, „4.000 Mark Honorar bekommen“. Wenn man die wegen seiner Abwesenheit reduzierte Kostenpauschale dagegenrechne, komme „unter dem Strich sogar ein erhebliches Manko heraus“. Rückfragen der taz bei der Caritas in der Schweiz, die pro Monat ihren Helfern rund 4.000 Mark zahlen soll, bestätigen die Aussagen von Martsch. Sprecherin Hildegard Jutz wörtlich: „Wir haben Herrn Martsch auf dessen Wunsch schon seit Monaten kein Honorar mehr ausgezahlt, weil er das zurückspenden wollte.“

Der Kleinkrieg um Honorare und Geschäftsordnungen im Zusammenhang mit dem Winterhilfsprojekt der Caritas beschämt nicht nur den Abgeordneten. Innenminister Herbert Schnoor, für die Düsseldorfer Landesregierung selbst mit einem zwei Millionen Mark umfassenden Hilfsprojekt im nördlichen Irak aktiv, sprang Martsch in Leserbriefen öffentlich bei. Die Diskussionen um dessen Kurdistan-Aufenthalt lenkten „von der ungeheuren Tragödie“ ab, die sich im Norden Iraks abspiele. Schnoor wörtlich: „Ich finde es ausgesprochen schade, daß die notwendige humanitäre Hilfe, die dort auch von Herrn Martsch mit hohem persönlichen Einsatz geleistet wird, so wenig Beachtung findet und daß im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses nur die Frage steht, ob Herr Martsch seinen Pflichten als Landtagsabgeordneter nachkommt.“ Walter Jakobs