Frontberichte, Bettgeflüster

■ „Together Alone“ und „Voices from the Front“ — zwei Filme zum Thema AIDS

Was tun, wenn die Angst umgeht in der Szene, wenn die Front bröckelt, das Kollektiv wieder in Einzelne zerfällt? Zwei unabhängig voneinander entstandene Filme wirken wie die zwei Seiten einer Medaille: Der eine ist ein lauter, bunter Muntermacher, der andere lotet die persönlichen Dimensionen des Problems Umgang mit AIDS im Stillen aus.

Voices from the Front ist ein Dokumentarfilm über die Hochblüte des Act Up, der Selbsthilfeorganisation HIV-Infizierter Ende der 80er Jahre in New York. Die Aktivisten bestehen auf der Bezeichnung PWA, Person with Aids, die Ähnlichkeit mit POW, Prisoner of War ist nicht zufällig. Die Beteiligten erleben die Situation in der Tat als Krieg, nicht nur der „Gesunden“ gegen die Infizierten, sondern der Armen gegen die Reichen, der Weißen gegen die Schwarzen und die Lateinamerikaner, des patriarchalen Establishments gegen die Frauen, der Heteros gegen die Schwulen und schließlich — der Lebenden gegen den Tod. In der Kälte vor einem Krankenhaus in Harlem erzählt einer, wie sein Freund, ein Aktivist, mit einer Lungenentzündung in diese Klinik mußte und wie er da über neun Tage auf dem Flur stand, mit fünfzehn anderen Patienten. Die Stimme schlägt über, als er beschreibt, wie der Mann schließlich nach Hause entlassen wurde, wo er 24 Stunden später starb.

In der Regel aber macht der Film Dampf: Farbkanonen vor der Zulassungsstelle für Medikamente, selbstbewußte, laute Rocksongs, Frauen mit Matratzen in Washington, der Filmkritiker Vito Russo, der lächelnd sagt „You're looking at ONE PROUD FAGGOT“ — rasant montierte, lebhafte Statements einer selbstbewußten Gruppe mit Öffentlichkeit.

Auf dem Gay and Lesbian Film Festival letztes Jahr in New York aber, wo der Film vorgestellt wurde, stellte Sarah Schulman, eine Kämpferin von der vordersten Front, nach langem Blick über die gelichteten Reihen die Frage, warum der Kontakt zwischen der (geschrumpften) Bewegung, den Filmemachern und der Gay Community in der Zwischen zeit abgerissen sei. Eine Antwort hatte keiner.

Vielleicht hätte Together Alone, der einige Tage vorher auf demselben Festival gelaufen war, eine Antwort geben können. Zwei Vereinzelte tun sich für eine Nacht zusammen, Bryan und Brian, und erleben alle nur denkbaren Varianten des Spektrums Together-Alone: Unsafe Sex, Mißtrauen, wer hat wen gefickt, wer trägt die Verantwortung; dann aber auch wieder lange konzentrierte Passagen, in denen der Sprechende in die hintersten Winkel seiner persönlichen Archäologie hinabsteigt. So tief ist die Nacht selten. Der Film, in Schwarz-Weiß, mit seinen ruhigen, aber pointierten Einstellungswechseln, gleicht in seiner Intimität Louis Malles Mein Essen mit André. Still und leise schleicht man aus dem Kino. Mariam Niroumand

David Meieran u.a.: Voices from the front, USA 1991, 92 Min.

20.2. Atelier am Zoo 16 Uhr 15;

21.2. Babylon Mitte 17 Uhr.

P.J. Castellaneta: Together alone, USA 1991, 87 Min.

20.2. Atelier am Zoo 21 Uhr 15;

21.2. Filmpalast 21 Uhr 15.