Jeder zweite Flug ist unnötig

■ Die Hälfte aller Flüge von Berliner Flughäfen sind Kurzstreckenflüge/ Bündnis 90/Grüne bemängeln, daß Prognosen dies nicht berücksichtigen

Berlin. Die Prognosen über die Entwicklung des Flugverkehrs sind unrealistisch und übertrieben, weil sie nicht den hohen Anteil von Kurzstreckenflügen berücksichtigen. Dieses Fazit zieht die Fraktion Bündnis 90/Grüne. Jedes zweite Flugzeug, das derzeit von den drei Berliner Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld abhebe, lege eine Strecke unter 600 Kilometer zurück, sagt Michaele Schreyer, Mitglied im Abgeordnetenhaus.

Obwohl Politiker und Fluggesellschaften immer wieder beschwören würden, daß diese Flüge auf die umweltfreundlichere Schiene verlegt werden sollen, werde dies in Prognosen kaum berücksichtigt. Schreyer fordert zusammen mit dem verkehrspolitischen Sprecher der Fraktion, Michael Cramer, daß der Senat eine »realistische Prognose« erstellt.

Wie schnell Fluggäste auf die Bahn umstiegen, zeige die Strecke Hamburg-Berlin. Die Fluggastzahlen seien im vergangenen Jahr um 16 Prozent allein dadurch zurückgegangen, weil die Bundes- und Reichsbahn den Intercity-Standard angeboten habe. Der Komfort sei sogar angenommen worden, obwohl sich die Fahrzeit kaum verringert habe.

Schreyer und Cramer halten es nicht für Wunschdenken, daß der größte Teil der Kurzstreckenflüge entfalle, wenn Berlin an das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn angeschlossen sei. Schon jetzt benötige der schnelle ICE zwischen Hamburg und Frankfurt am Main (539 Kilometer) etwas mehr als dreieinhalb Stunden. Berechne man bei der Flugzeit auch die Anfahrt zum Airport, das Einchecken und Gepäckabfertigung, dann summiere sich die Reisezeit mit dem Flieger auf drei Stunden.

Die Fraktion Bündnis 90/Grüne wendet sich deshalb gegen den parallelen Ausbau von Tegel und Schönefeld sowie weitere Investitionen in Tempelhof. Ein Ausbau Schönefelds für 3,5 Milliarden Mark zu einem Großflughafen mit 18 Millionen Passagieren jährlich sei in keiner Weise begründet. Mit dem Geld sollte der Intercity-Standard für Berlin und von Berlin in alle Himmelsrichtungen neu eingerichtet oder verbessert werden, damit die Kurzstreckenflüge auf die Schiene verlagert werden können. Berlin müsse sich darüber hinaus darauf einstellen, daß aufgrund der dramatisch steigenden Schadstoffbelastung in der Stratosphäre, die zum Treibhauseffekt beitrage, der Flugverkehr ohnehin eingeschränkt werde.

Die Verkehrsverwaltung rechnet bisher mit bis zu 22 Millionen Passagieren im Jahr 2000 und 40 Millionen im Jahr 2010. Im vergangenen Jahr flogen knapp zehn Millionen Reisende von oder über Berlin. Dirk Wildt