Zweikampf zwischen Mutter und Sohn

Mit einer Riesenportion Berliner Schnauze, fiepsig und erzwungen jugendlich — so kennt man Edith Hancke aus diversen Vorabendunterhaltungssendungen. Das Bild ist festgefahren, andere Rollen will man von ihr nicht sehen oder aber traut sie ihr nicht zu. Im Renaissance-Theater ist sie jetzt differenzierter zu erleben: Von Gerhard Klingenberg inszeniert, spielt Edith Hancke die Titelrolle in dem Zweipersonenstück »Königin Mutter« von Manlio Santanelli, das 1990 an den Münchner Kammerspielen seine deutsche Erstaufführung hatte.

Regina, Witwe und Mutter von zwei Kindern, bekommt Besuch von ihrem Sohn (Günter Junghans). Er hat erfahren, daß seine Mutter todkrank ist, und will sie im Wechsel mit der Schwester bis zu ihrem Tod pflegen und versorgen. Das aber paßt Regina nicht, trotzig lehnt sie sich gegen ihr Schicksal auf. Schließlich ist sie die »Königin«, die selbständig nach dem frühen Tod ihres Mannes ihr Leben in die Hand genommen hat. Und als sie schließlich erfährt, daß Alfred nicht nur uneigennützig nach Haus gekommen ist, sondern aus ihrer Leidensgeschichte ein Buch machen möchte, bricht der lebenslange Zweikampf zwischen Mutter und Sohn wieder auf: Regina vergleicht Alfred mit ihrem verstorbenen Mann, den sie nach seinem Tod zu einer Art »Übermenschen« verklärt hat. Der eher mittelmäßige Alfred schneidet bei diesen Vergleichen schlecht ab, seine Mutter erkennt die eigenen Leistungen nicht an und beschimpft ihn als Versager. Aber nach und nach entlarvt auch der Sohn die große Lebenslüge der Mutter.

Souverän verleiht Edith Hancke ihrer Rolle Geistesgegenwärtigkeit und Witz. Gegenüber ihrem Partner, der etwas spröde daherkommt, ist sie nicht nur qua Rolle die »Königin«. Auf der einen Seite vermittelt sie viel Kraft und Abgeklärtheit, auf der anderen wirkt sie zart und zerbrechlich — eine erstaunliche Leistung einer Schauspielerin, die sonst nur wenig Schattierungen ihres vorhandenen Könnens zeigen darf. apo