SPD-typischer Politchauvinismus

■ betr.: "Krise der Ökologie" von Harry Kunz, taz vom 12.2.92

betr.: „Krise der Ökologie“ von Harry Kunz, taz vom 12.2.92

Harry Kunz betreibt in seinem Aufsatz zur angeblichen „Krise der Ökologie“ mehr oder minder SPD-typischen Politchauvinismus.

Das „bundespolitische Scheitern der Grünen“ scheint für ihn so endgültig, daß er meint eine Heimatlosigkeit bei ÖkologInnen ausmachen zu können — als ob die Grünen ausschließlich Ökologiepolitik gemacht hätten und als ob ökolgosch denkende Menschen unbedingt in denGrünen sein müssen. Abgesehen davon, setzt Kunz scheinbar eine nicht vorhandene parlamentarische Vertretung mit dem politischen Tod gleich. Kein Wort davon, daß die Grünen als Bundespartei existieren und landes- und kommunalpolitisch durchaus aktiv und auch parlamentarisch vertreten sind. Politik, auch Ökologiepolitik, spielt sich nicht nur in BonnBerlin ab.

Zynisch klingt Kunzens Satz, das Profil der SPD als ökologische Reformpartei sei innerparteilich durchgesetzt — es mag dort der Wunsch Vater des Gedanken gewesen sein. Nicht zu bestreiten ist, daß die SPD einige Umweltnachbesserungen auf ihre Fahnen geschrieben hat, und ab und an mahnend den Zeigefinger erhebt — aber mehr auch nicht. Umweltpolitik mag dies sein, grundlegende und grundsätzlich unter ökologischen Gesichtspunkten vertretbare Politik ist dies aber nicht.

In der Interessensabwägung zwischen Ökologie und etwa Sozialpolitik wird ein Dienstleistungsmodell für die SPD deutlich: Die Volksmasse, die die SPD braucht, um sich Volkspartei nennen zu können, ist eben für Kunz „normal“, nicht öko- spinnert und verlangt deshalb nach anderer Politik als Ökologie. Kunz gesteht dieser dann auch großmütig zu, daß es durchaus verständlich sei. Fragt man aber, woher denn auch die großen sozialen Probleme kommen, braucht es nur wenig Vergleiche und etwas scharfen Verstand, um zu erkennen, daß sich in Punkten wie Sozialpolitik SPD und CDU nicht wesentlich unterscheiden — es bleibt also die Frage, warum der SPD denn dann das Wahlvolk wegläuft, ob sie wirklich so zufriedenstellende Angebote für die Sozialpolitik macht. Ich glaube nein, bis auf Nachbesserungen ist auch hier nichts auszumachen.

Dreimal schafft Kunz es denn auch, politisch denkenden ÖkologInnen hereinzuwürgen, sie seien im Grunde nicht politikfähig: Sie werden abgegrenzt von „normalen“ Menschen mit „normalen“ Problemen, sind also schon einmal eine Sozialklasse für sich. Sie werden als ideologisch überhitzt dargestellt und damit ins agitatorische Abseits gestellt. Und zum Schluß müssen sie auch noch gebremst werden. Zudem wird Ökologie und Feminismus gleichsam in einen Sack der „ideologischen Versatzstücke“ geworfen, die allenfalls für linke Spinner zur Verfügung stehen sollen, aber doch bitte nicht für die geheiligte Mutter SPD, die doch auch so unheimlich innovativ zu sein scheint — und wenn nicht jetzt, dann am Ende des Jahrhunderts. Vorwärts, aufwärts, den Blick gerichtet, es kann nur noch besser werden — damit mag er dann wohl Recht haben.

Versatzstücke nimmt sich Kunz selbst stets aus ökologischer, vielleicht grüner Politik heraus, dreht sie, wendet sie und versucht sie dann als lächerlich darzustellen. „AKW Nee“ — irgendwann stand auch die SPD an diesem Punkt, irgendwann war die Betroffenheit über Tschernobyl groß genug, um Kunzens Aussage, man könne doch nicht so wie man vielleicht wollte wenn man dürfte, als Ungeheuerlichkeit deutlich werden zu lassen.

Die Höhe ist dann, grüne Politik als rasend darzustellen und als deswegen unsozial und unökologisch! Alles in allem zwinge ich Kunz nicht, im Bioladen einzukaufen, in einer WG zu leben oder kein Auto mehr zu fahren. Er kann von mir aus mit guten sozialdemokratischem Gewissen seine Prioritäten setzen, wo er will, auch im Ablassen solcher Stücke wie in der taz. Den Vorwurf, eine Welt zu hinterlassen, die unnötig kaputter ist, als sie sein könnte, muß er sich allerdings gefallen lassen.

Schade, daß es die Sozialdemokratie nötig hat, aufrechte ÖkologInnen und FeministInnen und somit die Grünen als Partei, die sich zumindest teilweise diese Ziele auf ihre Fahnen geschrieben hat, zu diffamieren. Wahrscheinlich soll mit dieser Agitation das politische Ozonloch der SPD gestopft werden, daß durch die FCKW der deutschen Einheit und anhaltender, aber nicht mehr so stark werbewirksamer Ökologiekrise aufgerissen worden ist. Ich wünschte, PolitikerInnen wie Kunz würden zuerst hindurchfallen. Sebastian Lovens, Duisburg