Grünes Stochern im Stasi-Nebel

Stasi-Beauftragte der Partei steht bei der Aufarbeitung vor einem Berg Arbeit/ Bislang Hinweise, aber keine Beweise/ Ausnahme Dirk Schneider/ Hoffnung auf Gauck-Behörde  ■ Aus Berlin Dieter Rulff

Seit einem halben Jahr durchforstet die ehemalige Grünen-Funktionärin Jutta Maixner alte Protokolle ihrer Partei. Die Lehrerin sucht nach Belegen für die Wühltätigkeit von Stasi- Informanten in den eigenen Reihen. Deren Spuren konnte sie an der ein oder anderen Stelle schon verfolgen, doch zu einer Enttarnung reichten die Erkenntnisse bislang nicht. Einzig die Informantentätigkeit des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Dirk Schneider gilt als sicher. Der Journalist hatte Anfang der 80er Jahre die Deutschlandpolitik bei den Grünen erst hoffähig gemacht und ihr einen DDR-freundlichen Anstrich gegeben. Sein gelungenstes Werk war 1988 die Festlegung der Berliner Alternativen Liste (AL) auf die Zweistaatlichkeit. Bis dahin hatte die AL die deutsche Frage programmatisch offen gelassen.

Die Wirkung Schneiders war nur möglich durch die breite politische Unterstützung, der er sich, vor allem in seiner Kreuzberger Bezirksgruppe, sicher sein konnte. Schneiders Nachfolger im Bundestag, Henning Schierholz, sieht denn auch rückwirkend das Problem nicht so sehr in der Agitationstätigkeit des IM sondern in dem Boden auf den seine Argumente so fruchtbar fielen. Ein großer Teil der Mitglieder der Grünen sei von sozialistischen Vorstellungen trotzkistischer oder eurokommunistischer Provenienz geprägt gewesen. In der Auseinandersetzung „System versus Menschenrechtsfrage“ hat nach Maixners Einschätzung, „die Systemfrage überwogen“. Hier sei, so Schierholz, eine selbstkritische Auseinandersetzung fällig.

Neben Schneider vermuten Schierholz und Maixner noch weitere Stasi-Zuträger bei den Grünen. Sie stützen sich dabei auf ihnen vorliegende Berichte des Ministeriums für Staatssicherheit, in denen detailliert die Vorbereitung einer Grünen- Delegation auf einen offiziellen Besuch in der DDR geschildert wird. Zudem entsinnt sich Schierholz, daß während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter „meine Gesprächspartner in der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn bis in die Wortwahl hinein darüber informiert waren, was wir mit den unabhängigen Bürgergruppen in der DDR beredet haben“. Er geht davon aus, „daß auf der Ebene des Bundesvorstandes Informationen abgeflossen sind“. Es gäbe Berichte „die sehr schnell in Ost- Berlin waren“. Für das MfS sei damals wichtig gewesen, ob es bei der Bundestagswahl 1987 zu einem rot- grünen Bündnis kommen würde.

Trotz der Indizien stochern die Grünen-Rechercheure zur Zeit im Nebel, so AL-Sprecher Stefan Noe. Sie sind jetzt auf die Erkenntnisse angewiesen, die die deutschlandpolitischen Aktivisten der Partei aus ihren Unterlagen bei der Gauck-Behörde gewinnen. Diese Polit-Biographien wolle man, so Noe, mit den Parteiunterlagen abgleichen, in der Hoffnung, dabei den einen oder anderen Name eines Informanten herauszufiltern. Unklar ist, ob in dem Amt auch über die Partei sogenannte Vorgangsakten gelagert sind. In die hofft der Alternativen-Vorständler Jochen Esser Einblick zu gewinnen, denn „es kann nicht angehen, daß alles mögliche über uns gehandelt wird“. Esser wurmt, daß in der Fernsehsendung Report bereits die Zahl von 13 Grünen-Funktionären genannt wurde, die der Stasi-Mitarbeit verdächtig seien. Zwar wurde diese Zahl mittlerweile von der Gauck- Behörde dementiert, doch will Esser nun selber Klarheit haben.