Frauensicht eindeutig in die Politik einbauen

Bremen hat seit Dezember 1991 eine Frauensenatorin. Mehr als einen Schreibtisch und ein Namensschild hat Sabine Uhl allerdings nicht. Ihrer niedersächsischen Kollegin Waltraud Schoppe ging es vor 615 Tagen ebenso.

taz: Frau Schoppe, wie stampft man ein Frauenministerium aus dem Boden?

Waltraud Schoppe: Wir fingen hier an und hatten eigentlich gar nichts, haben die erste Zeit in den Fraktionsräumen der Grünen gesessen, die Staatssekretärin und ich. Die Anforderungen der Frauen aus dem ganzen Land, jetzt verändernd einzugreifen, waren von Anfang an da, und dabei haben wir ungefähr ein dreiviertel Jahr für den Aufbau des Ministeriums gebraucht.

Wieviele Stellen sind Ihnen in den Koalitionsvereinbarungen zugesagt worden?

Überhaupt keine. Wir haben dann ein Konzept entworfen und werden jetzt hier im Laufe des Jahres 70 Stellen haben. Angesichts der angespannten Haushaltslage, gerade jetzt, nach den Steuerbeschlüssen, wird es uns nicht gelingen, das weiter auszubauen. Man muß dazu sagen, daß wir das größte Frauenministerium in der Bundesrepublik sind.

Es hat Auseinandersetzungen um den Zuschnitt Ihres Ministeriums gegeben. Sie hätten damals gern Teile aus anderen Ressorts dazu gehabt.

Zum Frauenministerium dazubekommen haben wir die Familienpolitik und den Kinder- und Jugendschutz.

Sie hätten aber gerne mehr gehabt

Ja, wir hätten gerne die gesamte Jugendhilfe gehabt. Das ist uns damals nicht gelungen. Wir haben aber Kompetenzen, die bisher Frauenleitstellen nicht haben und die auch Frauenministerien nicht haben. Wir haben Federführung bei allen Gesetzesinitiativen, die Frauen betreffen. Und außerdem eine sogenannte Querschnittsfunktion, das heißt, wir müssen gucken, was wird in den anderen Ministerien erarbeitet, und müssen den besonderen Frauenaspekt hineinarbeiten.

Funktioniert das?

Das ist nicht immer leistbar. Die Zusammenarbeit mit den anderen Ministerien, die von Frauen geleitet werden in Hannover, also das Justizministerium, das Umweltministerium und Wissenschaft und Kultur, da läuft die Zusammenarbeit hervorragend, weil die Frauen selbst, die Ministerinnen, auch einen Blick dafür haben, wann sie uns einschalten wollen. Das gelingt bei den Männerministerien nicht so einfach. Da müssen wir viel stärker selbst aktiv werden.

Noch einmal zurück zur Frage des Ressortzuschnitts: Hat ein Frauenministerium alleine zu wenig Gewicht?

Ich bin immer dafür eingetreten, daß es ein Frauenministerium gibt, das noch einen großen Brocken dazukriegt. Also zum Beispiel die gesamte Sozialpolitik oder die Jugendhilfe oder... da kann man sich ja vieles ausdenken. Man hat mehr Räume, um etwas zu gestalten, und man kann die Frauensicht viel eindeutiger in die Politik einbauen. Auch Arbeit bietet sich an. Das sind einfach Bereiche, mit denen Frauen zu tun haben.

hier bitte

Waltraud Schoppe

Wissenschaft wär' auch ne schöne Geschichte und Finanzen wär' auch nicht schlecht (lacht). Es gibt kein Ressort, von dem ich sagen kann, das will ich jetzt nicht haben. Frauenpolitik und Ökologie wär' eine ganz tolle Geschichte. Auch das, was Ralf Fücks jetzt in Bremen macht, Stadtentwicklung, muß man eigentlich unter einem weiblichen Blickwinkel machen.

Spricht das nicht mehr für ein reines Querschnittsressort?

Querschnitt, dazu kann ich aus der Erfahrung hier nur sagen: Zwar gelingt es in einigen Bereichen, erfolgreich einzugreifen. Aber es ist etwas anderes, ob man zum Beispiel Stadtentwicklung mit einem feministischen Blick macht oder ob man von außen sagt, wir geben dir da mal ne Vorlage.

Als Sie als Frauenministerin angetreten sind, hatten Sie da Illusionen, von denen Sie inzwischen Abstriche machen mußten?

Nein, ich habe es mir im Grunde genommen schwieriger vorgestellt, weil meine Erfahrung in Bonn gezeigt hat, daß Frauenpolitik in der Hierarchie nicht besonders hoch steht. Und ich hab gedacht, wir müssen hier viel mehr kämpfen. Wir sind aber sehr schnell, sowohl von den Kolleginnen und Kollegen im Kabinett als auch im Landtag, angenommen worden. Denn wir trauen uns einfach, den Frauenstandpunkt hier parteilich und sachkundig zu vertreten.

Haben Sie einen Tip für Ihre Kollegin Sabine Uhl, die jetzt in Bremen vor ähnlichen Problemen steht, wie Sie damals?

Auch wenn Bremen sparen muß, es geht kein Weg daran vorbei, daß man zuerst mal für Stellen kämpfen muß, daß man versucht, Frauen mit einer feministischen Vergangenheit auf diese Posten zu setzen. Es ist ein Unterschied, ob man sich irgendwann im Laufe des Lebens auch mal mit Frauenpolitik befaßt hat oder ob man eine feministische Biografie hat. Ich würde da erstmal gestandene und kreative Feministinnen reinsetzen. Bei dem Zuschnitt in Bremen würde ich mir Spiegelreferate zu allen Ressorts einrichten und mir so den Zugang zu allen Referaten sichern. Interview: Annemarie Struß-v. Poellnitz