Bildungspolitik unter Finanzdruck

■ Wernstedts Kurs zwischen Wahlversprechen und Sparbeschlüssen / „Erwartungen enttäuscht“

Doch keine kleinen Klassen für kleine KinderF.: J. Oberheide

Bildungspolitik war eines der Zugpferde im niedersächsischen Wahlkampf, das die Kombination Rot-Grün für viele wählbar gemacht hat. Entsprechend groß ist

hier bitte die

Schulkinder

auch der Erwartungsdruck, der auf Kultusminister Rolf Wernstedt (SPD) liegt. Aber die angespannte Finanzlage bringt Reformträumer wieder auf den Tep

pich. Schlimmer noch, so die niedersächsische GEW in einer Stellungnahme zur Schulgesetznovelle, es werde nur noch das gerade aktuell Machbare festgeschrieben, statt Stufenpläne für Reformen zu entwickeln.

Bei seinem Versuch, Reformansprüche und Haushaltslöcher zur Deckung zu bringen, erntet Wernstedt Schläge von der Lehrergewerkschaft GEW bis zur CDU:

Als „Maßnahme zur Entlastung der Kinder“ verkauft das Kultusministerium eine Reduzierung der Stundentafel in den Grundschulen. Kritik von LehrerInnen und Eltern: Entlastet werden solle vor allem der Haushalt. Durch die Kürzung der Stundentafel um ein bis zwei Wochenstunden je Klassenstufe würden 20.000 Unterrichtsstunden und damit 700 Lehrerstellen eingespart.

Mit einem Referentenentwurf zur „Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen“ will Wernstedt für „größere Gerechtigkeit und mehr Klarheit bei der Berechnung der Unterrichtsversorgung“ sorgen. Die Stundenversorgung soll ab 1. 8. nicht mehr nach Anzahl der Schüler, sondern nach Anzahl und Größe der Klasse berechnet werden.

Ganz nebenbei werden in dem Erlaß die Klassenfrequenzen hochgesetzt. Innerhalb einer Bandbreite kann die Gesamtkonferenz zum Beispiel für eine 5. Jahrgangsstufe in der Orientierungsstufe mit 132 SchülerInnen entscheiden, ob sie fünf Klassen mit 38,4 Lehrerwochenstunden oder sechs kleinere Klassen mit 32 Lehrerwochenstunden bilden will. Klassen mit unter 20 SchülerInnen sollen nur noch in Ausnahmefällen möglich sein.

Durch den Erlaß würden kleine Schulen auf dem Lande benachteiligt, möglicherweise sogar in ihrer Existenz gefährdet, befürchten GEW und die Oppositionsparteien CDU und FDP. Weitere Kritikpunkte: Förderunterricht und die Bildung von Arbeitsgemeinschaften würden eingeschränkt, durch die Verlegung des Stichtages für die Klassenbildung auf den ersten Tag nach Schuljahrsbeginn sei ein wochenlanges Chaos mit Personalverschiebungen vorprogrammiert.

Wernstedt selber weist darauf hin, daß der Erlaß lediglich der „gerechteren Verteilung“ von Lehrerstunden diene. Durch ihn würde „keine Lehrerin und kein Lehrer zusätzlich eingestellt“. Die Verbesserung der Lehrerversorgung sei „abhängig von den Beschlüssen des Landtages zum Haushalt“. Rund 2.500 Stellen sollen so aus dem Bestand „herausgerechnet“ und umverteilt werden, um angestrebte Reformen (wie die volle Halbtagsschule und ein breiteres Gesamtschulangebot) trotz der begrenzten Finanzmittel anzuschieben. Wegfall von Anrechnungsstunden und bedarfsdeckender Unterricht von ReferendarInnen sollen weitere Löcher stopfen.

„Das Problem wurde nur umdefiniert, an der Unterrichtsversorgung ändert sich nichts“, meint der Pressesprecher der niedersächsischen GEW, Richard Lauenstein. Zwar bewege sich Rot-Grüne noch im Rahmen der Wahlkampfversprechen, innerhalb der Legislaturperiode 5.000 LehrerInnen einzustellen. Insgesamt seien die Erwartungen jedoch enttäuscht worden. Lauenstein: „Sozialdemokraten und Grüne gehen zu zaghaft in die Auseinandersetzung um eine Erneuerung der Schule.“

Das will der bildungspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Kalle Puls-Janssen, so nicht stehen lassen. Natürlich würden die Bonner Steuerbeschlüsse dazu führen, daß „der Gürtel enger ggeschnallt werden“ müsse. Die Landesregierung sei aber bestrebt, „aus der Situation das beste zu machen.“ Das werde sicher zu einem Verteilungskampf führen. Zu diskutieren sei, wo Bildungsreform unter diesen Bedingungen noch stattfinden könne. Der grüne Bildungspolitiker sieht die Schwerpunkte bei den Sozialdemokraten eher im Bereich der Gesamtschulen, die Grünen wollen vorrangig Integration von Behinderten, Umweltlernen und die volle Halbtagsschule fördern. Puls- Janssen: „Da werden wir noch deutlich und scharf miteinander reden müssen.“ Es sei natürlich einfacher, „rot-grüne Politik im Überfluß zu machen. Aber jetzt kommt die Bewährungsprobe.“ Die Klientel „draußen im Lande“ scharrt derweil unruhig mit den Füßen. asp