„Fuck of war“ öffnete Bunkertüren

■ SchülerInnen übernehmen Vergangenheitsbewältigung für die Bundeswehr

Wenn draußen die Seemöwen kreischen, hallt es in der riesigen Ruinenhalle gespenstisch nach. Es ist kalt, feucht, überall tropft es. In das schummerige Dunkel fällt nur von ganz hinten ein wenig Licht. Aus zwanzig Metern Höhe ragt ein riesiger Betonträger steil nach unten, droht jeden Moment abzustürzen. Drumherum ein einziges Drahtgewirr: Bombenschäden.

So präsentiert sich heute das, was einmal der Welt größter U-Boot- Bunker werden sollte: der Bunker „Valentin“ in Bremen-Farge. Militärisch genutzt wird der von KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen unter schlimmsten Bedingungen gebaute Betonklotz immer noch: Heute deponiert die Bundeswehr dort Material „im Wert von Milliarden“, wie der Wachsoldat an der Schranke zum „Militärischen Sicherheitsbereich“ verrät.

Ein Mahnmal am Eingang erinnert an die „Vernichtung durch Arbeit“, BesucherInnen werden nach Anmeldung von einem Soldaten durch das Kriegsrelikt geführt. Und seit gestern hängt im Bunker eine Ausstellung, die 22 SchülerInnen eines Geschichts- Grundkurses vom Gymnasium Hamburger Straße initiiert und zusammengestellt haben.

Als der Kurs vor einem Jahr eine Bunker-Führung mitmachte, endete das in einem Eklat: „Der Soldat hat uns etwas über sieben Meter dicke Decken und vier Meter fünfzig starke Mauern erzählt — aber kein Wort über das Schicksal der Gefangenen“, sagt einer der Schüler. Reaktion: Einer malte den Spruch „Fuck for war“ ins Gästebuch — woraufhin der mittlerweile pensionierte Kommandant Kapitänsleutnant Süpfle dem gesamten Gymnasium Hausverbot erteilte. „Damals fiel der Satz, die Bundeswehr sei für Vergangenheitsbewältigung nicht zuständig“, erzählt Referendar Michael Blume, „da haben wir gesagt: Dann machen wir es eben.“

Einen ehemaligen Gefangenen des Arbeitserziehungslagers Bremen-Farge haben die SchülerInnen zu sich eingeladen, das Staatsarchiv durchkämmt, Bücher und Dokumente gewälzt. Herausgekommen ist eine Dauerausstellung mit zwölf Tafeln in der Ruinenhalle und eine Wanderausstellung, die seit gestern im Staatsarchiv zu sehen ist.

Wie hat das Leben und Sterben der Häftlinge wirklich ausgesehen? Was sagen die Farger Anwohner, die einen Steinwurf weit weg wohnen, (deshalb könnte der Bunker selbst heute nicht gesprengt werden, da die ganze Umgebung mit in die Luft fliegen würde) über die Zwangsarbeiter? Warum reagieren damals am Bau beteiligte Firmen auf Briefe der SchülerInnen nicht — wie der Bremer Vulkan? Wie soll mit dem Bunker heute umgegangen werden? All das hat der Geschichtskurs versucht, zu behandeln — damit die Geschichte des U-Boot- Bunkers „Valentin“, was übrigens ein Deckname für Bremen- Vegesack war, nicht totgeschwiegen oder verherrlicht wird.

„Auf dem Dach der Ruine ist heute ein richtiges Biotop“, erzählt der Wachmann. Und für den winzigen Fischteich, der direkt neben dem 450 Meter langen und vierzig Meter hohen Ungetüm angelegt ist, „dafür haben alle gesammelt — damit es ein bißchen nett aussieht.“

Susanne Kaiser