Das Großraumbüro hat ausgedient

■ Das Büro, immer noch als unproduktiver und kostenintensiver Bereich verschrien, erfährt einen Funktionswandel. Immer mehr Unternehmer entdecken in ihm eine produktive Ideenwerkstatt. In kleineren Büros ...

Das Büro, immer noch als unproduktiver und kostenintensiver Bereich verschrien, erfährt einen Funktionswandel. Immer mehr Unternehmer entdecken in ihm eine produktive Ideenwerkstatt. In kleineren Büros sieht der Arbeitswissenschaftler WILHELM BAUER eine effiziente Form der Arbeitsorganisation.

taz: Die rasche Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie hat die Büroraumarten verändert. Wie sieht das Büro von heute aus?

Wilhelm Bauer: Das Büro ist nicht mehr wie früher ein Ort der direkten Interaktion mit Papier, sondern ein Ort der Interaktion mit vielen verschiedenen Medien. Damit verbunden sind auch sehr viele Feld-zu- Feld-Kommunikationen, das heißt Diskussionen und Kommunikationen unter den Mitarbeitern. Das Büro, das früher eher tayloristischen Prinzipien unterworfen war, wo stark verrichtungsorientierte Arbeiten durchgeführt wurden, ist heute ein Ort, wo vor allem vorgangsorientiert gearbeitet wird. Der einzelne Büroangestellte bearbeitet zunehmend ganzheitliche Arbeitsumfänge und komplette Abläufe. Dabei werden sehr unterschiedliche Arbeitsmittel benutzt wie Bildschirme, Telefaxgeräte und Telefone. Das sind Geräte, mit denen Kommunikation über entsprechende Datenträger notwendig und auch möglich ist.

Das Büro, immer als unproduktiver und kostenaufwendiger Bereich verschrien, hat also einen Funktionswandel erfahren.

Das haben inzwischen auch die meisten Unternehmer begriffen. Das Büro ist heutzutage der Ort, wo sehr wichtige Leistungen für das Unternehmen erbracht werden. Demzufolge ist die früher fehlende Beachtung des Büros deutlich einer Aufwertung gewichen. Die Unternehmer sehen, daß eine effiziente Leistung im Büro einen ganz wesentlichen Anteil an der gesamten Unternehmensleistung hat.

Ist das auch eine Begründung dafür, daß der Flächenbedarf für Büroräume ständig wächst?

Der steigende Flächenbedarf ist dadurch begründet, daß die inhaltliche Ausrichtung von Büroarbeit umfassender geworden ist. Einzelne Mitarbeiter übernehmen einen größeren Arbeitsumfang im Sinne einer kompletten Vorgangsbearbeitung. Natürlich wird mehr Technik am Arbeitsplatz eingesetzt, und damit steigt auch der Flächenbedarf. Andererseits widerspricht das den explodierenden Kosten für Büroflächen. In der Frankfurter City, das wird in Berlin nicht anders sein, werden inzwischen Quadratmetermieten von 100 bis 130 Mark bezahlt. Diesem Konflikt ließe sich mit intelligenten Arbeitsplatzlösungen und Arbeitsplatzkonzepten begegnen.

Geht der Trend noch immer in Richtung Großraumbüro?

Heute läßt sich definitiv sagen, daß der Trend zum Großraumbüro vorbei ist. In den sechziger Jahren wurden sehr viele Großraumbüros gebaut. Diese Tendenz ist deutlich im Abflachen. Heute sind Kombibüros gefragt. Das sind Büros, wo kleinere Einheiten um eine Gemeinschaftszone gruppiert sind. Zwischen 12 und 20 Personen können dort arbeiten. Aber auch die klassischen Ein-, Zwei- und Mehrpersonen-Zellenbüros erfahren eine Renaissance. Arbeitswissenschaftler führen es darauf zurück, daß der Büroangestellte von heute sehr viel weniger Routinearbeit in seine Tätigkeit einbringt und demzufolge einen abgeschirmten Bereich zur Konzentration braucht. Andererseits braucht er die notwendige Kommunikation in der Arbeitsgruppe, im Projektteam. Genau diese beiden Anforderungen — Privatheit und Kommunikation — versuchen wir bei der Planung von Büros zu verbinden.

So ein Kombibüro kann auch ein großer Raum sein, wo Trennwände für eine Abgrenzung sorgen.

In diesem Fall sprechen wir von einem Gruppenbüro, wo eine größere Bürofläche durch teilweise schrankhohe oder 1,20 Meter hohe flexible Trennwände, sogenannte Raumgliederungssysteme, strukturiert wird. Das klassische Kombibüro, dessen Konzept aus Skandinavien stammt, hat keine flexiblen Trennwände, sondern festinstallierte, raumhohe Wände, die einzelne Kombibürozellen vollständig und akustisch so weit voneinander abschirmen, daß es wie ein Einzelraum aussieht. Der hat allerdings verglaste Wände, die einen visuellen und informellen Kontakt untereinander zulassen.

Ein privater, nicht offensichtlicher Bereich ist demnach auch in einem Kombibüro nicht vorgesehen?

Eine vollständige Abschirmung wird im Kombibüro gar nicht angestrebt. Das hat beleuchtungstechnische Gründe. Die Gemeinschaftszone als innenliegender Bereich bekommt durch die Glasteilung zusätzlich Licht. Die Glaswände sollen den Mitarbeitern, wenn sie sich in ihren Einzelbüros aufhalten, noch Anteil am Geschehen in der Arbeitsgruppe, der Abteilung ermöglichen. Also sehen können, was sich in der Abteilung abspielt, wer gerade rein- und rausgeht, wer mit wem redet, um einfach ein Bestandteil der Gruppe zu sein und den Kontakt nicht gänzlich zu verlieren. Das ist die Philosophie dieses Kombibüros, die sich von typischen Zellenbüros dadurch unterscheidet, daß über die transparente Wand eine visuelle Teilkommunikation möglich ist.

Das sieht aber auch sehr nach gegenseitiger Kontrolle und Überwachung aus.

Das kann im schlimmsten Fall natürlich passieren. Kombibüros sind nicht für Unternehmen gemacht, bei denen die Überwachung von Mitarbeitern das primäre Leistungsorientierungsmerkmal ist. Das Kombibüro ist ein modernes Büroprinzip, das zu modernen Arbeitsorganisationsformen paßt; wo akzeptiert wird, daß Mitarbeiter motiviert sind und ihr Bestes tun, um das Unternehmen nach vorn zu bringen. Da ist der Überwachungsaspekt völlig bedeutungslos.

Haben Kombibüros auch neben der uniformen Ausstattung eine einheitliche Beleuchtungsstärke, Heizung und Klimatisierung?

Sie sind sicher nach einem Einheitsmuster ausgestattet, aber sie sind individuell beeinflußbar, beispielsweise die Klimatisierung. Kombibüros haben in der Regel Fenster, die sich öffnen lassen. Damit können die Mitarbeiter in gewissen Grenzen ihr Raumklima regulieren. Was die Beleuchtung betrifft, kann sie in einem Kombibüro vom einzelnen selbst bestimmt werden.

Wie muß man sich denn das Büro der Zukunft vorstellen? Wir gehen nur noch rein. Die Türen werden automatisch geöffnet, die Beleuchtung stellt sich auf uns ein, und die Blumen berieseln sich von selbst?

Solche Vorstellungen sind vielleicht in der Literatur präsent. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht halte ich von ferngesteuerten Lösungen nichts. Wir müssen den Menschen ermöglichen, selbst in die Bürogestaltung einzugreifen. Deshalb wollen wir, daß sich von der Haustechnik vorgegebene Strukturen möglichst nicht durchsetzen. Büroangestellte brauchen Freiräume, um bestimmte Dinge selbst gestalten zu können. Fest vorgegebene Automatismen sind keine Lösung. Wenn die Individualität zu sehr beschnitten wird, ist auch nicht die beste Leistung der Mitarbeiter zu erwarten. Das glauben jedenfalls Arbeitswissenschaftler. Das Interview führte

Bärbel Petersen

Wilhelm Bauer ist Leiter der Abteilung Arbeitsgestaltung im Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation Stuttgart.