„Wer schlau ist, privatisiert besser selbst“

Wie ein ehemaliger technischer Direktor sich mit einem Baubetrieb selbständig macht und dabei von seinem Insiderwissen profitiert  ■ Aus Brasov Keno Verseck

Wenn es um den Inhalt seines Kühlschrankes geht, reicht die Energie von Vladimir Bogoiu sogar für kleine Wutanfälle. „Wie erklärt es sich“, schimpft er, „daß eine Tomatenkonserve, die im August noch für 5 Lei zu haben war, heute 30 Lei kostet? Alles läuft hintenherum, überall wird jongliert, und jeder will jeden bestehlen.“ Dann präzisiert Bogoiu das Konservenproblem. „Die Regierung hat keine Schuld. Schuld an der Katastrophe in Rumänien sind die Betriebsdirektoren, die trotz fallender Produktion und Produktivität fortwährend die Preise erhöhen.“

Wie auch immer Vladimir Bogoiu den Zusammenhang zwischen Preisen, Produktion und Produktivität erklärt — beim Thema Betriebsdirektoren ist er Experte. Bis Juli 1991 bekleidete er den Posten eines techischen Direktors bei der Carb AG in Brasov, einer Steinverarbeitungsfirma, die ihr Geschäft unter anderem mit der Herstellung von Straßenplaster macht. Dann warf er seinen Job hin und gründete eine eigene Firma, die Pflastersteine für den Export nach Deutschland produziert.

Ausgestiegen ist Bogoiu beim Staat, weil er früher oder später ohnehin rausgeflogen wäre. „Diese industriellen Suprastrukturen“, sagt er, „werden zerschlagen. Eine Firma wie meine frühere kann es sich in einer Marktwirtschaft nicht erlauben, bei 700 Beschäftigten vier Direktoren zu haben. Das ist ein Anachronismus.“ Auf die Frage, woher er das Grundkapital für seine GmbH genommen habe, antwortet er schmunzelnd: „Meinerseits war es viel Courage, von meinen deutschen Partnern ein großes Risiko.“ Ein Bekannter aus Deutschland ist ein ausgewanderter Kollege, der ihm ein handfeste Geschäft vorschlug, bei dem man tatsächlich Courage und Bereitschaft zum Risiko beweisen mußte: In seiner Ex-Firma schaffte Bogoiu ein paar Tonnen Pflaster beiseite, verschob sie nach Deutschland und kassierte so das Geld. Nach seinem Abgang bei Carb mietete er ein Grundstück, das er seit August als Werksgebäude hochziehen läßt. Gehauen wurde das Pflaster derweil im Freien, und zwar manuell. Seit Anfang Dezember wird jedoch nicht mehr gearbeitet, weil der Stein die Kälte nicht ohne Schäden überstehen würde. Im März soll die Produktion wieder aufgenommen werden.

Schwierigkeiten mit rumänischen Behörden hat Bogoiu nicht, und auch bestechen muß er angeblich niemanden. Dafür beklagt er sich um so mehr über seine Ex-Firma, von der er das Rohmaterial bezieht. Das verkaufe man ihm aus reiner Böswilligkeit zu einem höheren Preis als schon verarbeitete Ware. So bekomme er die Tonne Rohbasalt erst ab 1.200 Lei (nach derzeitigem Schmarzmarktkurs etwa fünf Mark), während zerkleinerter Basalt auf der Carb-Warenliste schon für 1.100 Lei stünden.

Seine Gewinne will der frischgebackene Geschäftsmann jedoch nicht preisgeben. Lediglich den Umsatz von August bis November gibt Bogoiu mit 3,5 Millionen Lei an — nach dem Mittelwert des damaligen Schwarzmarktkurses sind dies rund 16.700 Mark. Seinen bis jetzt 15 Arbeitern bezahlt er fünf Lei pro gehauenen Pflasterstein. Im Monat seien sie, so Bogoiu, je nach Arbeitsleistung auf 6.000 bis 19.000 Lei brutto gekommen: bei durchschnittlichen Abzügen von 20 Prozent sind das 4.800 bis 15.200 Lei netto (32 bis 101 Mark). Bogoius weist darauf hin, daß er noch niemanden entlassen habe. „Es ist ja nicht ihre Schuld, daß nicht gearbeitet werden kann. Ich bezahle ihnen jetzt sogar einen Teil des Lohnes, denn ich bin moralisch dazu verpflichtet.“ Einen Teil des Geldes sollen die Arbeiter aber wieder zurückerstatten, wieviel, weiß Bogoiu noch nicht.

Mehr Gedanken hat er sich über seine Zukunft gemacht. Er steht in Kontakt mit ungarisch-österreichischen Unternehmen, und auch den einheimischen Markt will er beliefern. Ab Mitte des Jahres hofft er in seinem Unternehmen neue Technologie installieren zu können, mit der Pflaster maschinell hergestellt werden kann. Das nötige Kapital dafür bringt er unter anderem durch Handel mit ausländischen Waren auf. Anstatt seine Exporterlöse zu repatriieren, die er bei der Nationalbank nur zu einem Kurs umtauschen könnte, der fast um die Hälfte niedriger liegt als der Schwarzmarktkurs, kauft er lieber in Deutschland Lebensmittel ein. Die verschiebt er dann an Mitarbeiter der staatlichen Lebensmittelkette „alimentară“.

„Wenn jemand Parteimitglied war, hatte er noch lange nichts mit dem Kommunismus zu tun. Jeder Direktor mußte Mitglied der Partei sein, sonst hätte er seine Funktion gar nicht ausüben können“, begründet Bogoiu seine frühere Parteimitgliedschaft. Wenn er heute immer noch besser lebe als die meisten seiner Landsleute, dann habe er das seinem Können zu verdanken. „Wer schlau war und die Spielregeln kennt, hat seine eigene Privatisierung durchgeführt.“