Kirchenmann Krusche enttarnt sich selbst

■ Generalsuperintendent führte seit den 60er Jahren regelmäßige Gespräche mit der Staatssicherheit

Berlin (taz) — Offen und ohne Angst, sagte Generalsuperintendent Günter Krusche am Donnerstag auf einer Veranstaltung der Evangelischen Kirchenleitung in der Ostberliner Gethsemane-Kirche, möchte er jetzt erzählen, „wie das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in der DDR wirklich war“. Und er holte ein Vierseitenpapier aus der Tasche und las vom Blatt Brisantes ab.

Um die Konfrontation zwischen Staat und Kirche zu überwinden, um der Kirche eine Chance zu geben, nicht nur „zu überwintern“, sondern „missionarisch zu wirken“, habe er seit den frühen 60er Jahren einen „Dialog“ mit der Staatssicherheit geführt. Sein Gesprächspartner sei bis 1984 ein Mann namens Hammer gewesen und nach dessen Pensionierung einen anderer, den er unter dem Namen Deutschmann kennengelernt habe. Den Beginn dieses Dialogs habe er seinem damaligen Dresdner Landesbischof Gottfried Noth mitgeteilt. Die Gespräche seien „nicht konspirativ, sondern immer in seinen Amtsräumen“ geführt worden. Seit 1981 war Krusche Vorsitzender der Konferenz der Kirchenleitung (KKL).

Bei den Gesprächen mit Hammer sei es um grundsätzliche Fragen der „grenzüberschreitenden Sicht des Christentums“ gegangen, unter Deutschmann sei die „Gangart härter geworden“. Es sei ihm aber immer gelungen, berichtete Krusche, dem MfS zu vermitteln, „warum die Kirche nicht bereit sei, gegen oppositionelle Pfarrer vorzugehen“. Obwohl er glaube, Personen nicht geschadet zu haben, habe er sich „immer schlecht nach diesen Gesprächen gefühlt“. Die Kontakte habe er aber bis zum Schluß aufrechterhalten, weil „die Furcht vor einer chinesischen Lösung sehr groß war“. Auf die Fragen von Rudolf Pahnke, Sekretär in der Kirchenleitung für Jugendfragen, und Dietmar Linke, einem in den 80er Jahren ausgebürgerten Pfarrer, warum er sich erst jetzt offenbare, erklärte Kruse, man müsse „erst disponiert sein“. Ein Alarmsignal sei für ihn gewesen, „was mit Stolpe passiert ist“. Er gestand ein, daß es ein Fehler gewesen sei, sich im politischen Bereich nur „halbherzig“ auf die Seite der Friedensbewegung gestellt zu haben und sich nicht „tief genug“ mit der Ausreiseproblematik beschäftigt zu haben. Seine Fehleinschätzung, daß man „aus dem Sozialismus etwas Gutes machen könne“, habe ihn in diese Lage gebracht.

Krusches Darstellung stieß auf heftigen Widerspruch. Vertreter von Friedensgruppen und der Umweltbibliothek warfen ihm vor, daß er jetzt nur „die Flucht nach vorne“ antrete, weil es in den Stasi-Akten von Ralf Hirsch und Pfarrer Eppelmann Hinweise auf einen IM aus Dresden mit „Zersetzungsanweisungen“ gebe. So habe er für den Überfall der Stasi auf die Umweltbibliothek 1988 „Verständnis gezeigt“. Anita Kugler