BONN APART
: Genscher ist der Größte

■ Kritik am Bundesaußenminister darf's nicht geben

Kritik am Doyen der europäischen Außenminister? Gar von einem befreundeten Amtskollgen? Was nicht sein darf, das nicht sein kann. Nach diesem Motto verdreht der Stab von Hans-Dietrich Genscher auch schon mal die Wahrheit und verleugnet, was auch dem AA schwarz auf weiß vorliegt. Unter der Überschrift „Belgien kritisiert KSZE-Initiative Bonns“ druckte die 'Süddeutsche Zeitung‘ am Dienstag dieser Woche eine 'dpa‘- Meldung ab. Danach habe der belgische Außenminister Max Eyskens den Ende Januar in Prag unterbreiteten Vorschlag Genschers für einen „KSZE-Lenkungsausschuß“ „scharf kritisiert“. „Es handele sich dabei um eine Art Exklusivverein, mit dem die Deutschen eine Kontrolle durch die großen Staaten sicherstellen wollten“, berichtet 'dpa‘ unter Berufung auf Eyskens' Äußerungen in einem Interview mit der belgischen Nachrichtenagentur 'Belga‘. Eykens wird von 'dpa‘ und von 'Belga‘ zitiert: „Das scheint mir für die kleinen Länder nicht akzeptabel.“ Auf die Frage nach einer Reaktion der Bundesregierung gab Genschers Sprecher Schumacher vor der Bundespressekonferenz am Mittwoch die „Empfehlung, den Sachverhalt erst einmal zu recherchieren, bevor man hier solche Fragen stellt“. Es handele sich um eine Falschmeldung. Das Interview habe dem AA vorgelegen. Kritische Äußerungen Eyskens seien darin nicht enthalten.

Die Nachrecherche ergab: 'dpa‘ bleibt ohne Abstriche bei ihrer Meldung, ebenso 'Belga‘, die über einen Tonbandmitschnitt des Eyskens-Interviews verfügt. Ein Sprecher der Brüsseler Regierung bestätigte die Existenz des Interview ebenso und fügte hinzu, die Regierung denke „ziemlich negativ“ über Genschers Vorschlag für einen KSZE-Lenkungsausschuß. Im übrigen habe Bonn bisher „keinerlei Einzelheiten“ zur Umsetzung dieser Initiative vorgelegt.

Konfrontiert mit diesem Sachstand, erklärten die Sprecher von Regierung und Außenministerium, Vogel und Müller, in der gestrigen Bundespressekonferenz, ihnen sei ein Interview Eyskens' nicht bekannt. Andreas Zumach