INTERVIEW
: »Frauenhandel scheint kein Thema zu sein«

■ Elke Junius vom Gesundheitsamt Charlottenburg zur Situation der betreuten thailändischen Frauen/ Sie »wollen hier ganz bewußt als Prostituierte ihr Geld verdienen und haben sich in die Hände von Zuhältern gegeben«

taz: Mit welchen Erwartungen kommen thailändische Frauen nach Berlin?

Elke Junius: Bestimmt zwei Drittel der Frauen wollen hier ganz bewußt als Prostituierte ihr Geld verdienen und haben sich zu diesem Zweck in die Hände von »Schleppern« und Zuhältern gegeben. Diesen Thailänderinnen ergeht es in Deutschland oft noch schlechter als in der Heimat, denn sie sehen oft keinen Pfennig von dem, was sie erarbeiten. Ein anderer Teil hat sich, und das gilt besonders für Berlin, von hier lebenden Verwandten oder Bekannten als mögliche Ehepartnerin eines deutschen Mannes anwerben lassen. In anderen Großstädten läuft das ja vorwiegend über sogenannte »Kataloge«. Aber die Erwartung, ein ökonomisch sorgenfreies Lebens zu führen, erfüllt sich selten. Oft werden die Frauen bewußt isoliert gehalten.

Wie bekommen Sie überhaupt Kontakt mit den thailändischen Frauen im deutschen Prostituiertenmilieu?

Wir besuchen regelmäßig mit Dolmetscher die »Salons« und Bars, erzählen ein bißchen über Geschlechtskrankheiten und verteilen Kondome. Damit machen wir uns bekannt. Entweder wir kommen gleich ins Gespräch, oder die Frauen besuchen uns. Über die ärztlichen Untersuchungen, die wir anbieten, kommen wir schnell auf die Probleme der Frauen zu sprechen.

Daß sie aussteigen wollen?

Zum Beispiel. Deshalb ist der Verein Ban Ying gegründet worden, der eine Zufluchtswohnung für sechs bis acht Frauen angemietet hat. Dort wohnen aber auch Ehefrauen mit Mißhandlungserfahrungen, was uns sehr überrascht hat. Wir dachten, dorthin kämen nur Prostituierte. Und wir sprechen auch über drohende Abschiebung.

Und die leitet sich aus dem rechtlichen Status der Frauen ab...

Ja. Die Situation ist paradox. Auf der einen Seite haben die Frauen einen Touristenstatus, der ihnen per Gesetz verbietet, einer »Arbeit« nachzugehen. Das tun sie eigentlich auch nicht, denn Prostitution ist kein anerkannter Beruf, wird aber andererseits von der Polizei als Einkommensquelle betrachtet, also als Arbeit. Aufgrund der schrägen Gesetzeslage werden die Frauen dann recht schnell ausgewiesen.

Vor einem Jahr haben sich Schlepper und Salonbesitzer eine Verzögerungstaktik einfallen lassen, um der frühen Abschiebung vorzubeugen. Sie geben die Frauen als Asylbewerberinnen aus.

Das war früher, vor dem Mauerfall und der Wende, überhaupt nicht üblich, da konnten die Frauen über den Flughafen Schönefeld einreisen und sind auf ihrem Weg nach West-Berlin nicht von der Westberliner Grenzbehörde kontrolliert worden. Folglich konnten sie sich hier relativ lange unentdeckt aufhalten. Seit der Einführung der Visumpflicht von 1989 sind die Frauen behördlich »bekannt«. Damit sie nach drei Monaten— so lange gilt das Visum — nicht abgeschoben werden können, stellen die Zuhälter für die Frauen einen Asylantrag, der die Ausweisung verzögert.

Welchen rechtlichen Status haben thailändische Frauen, die mit einem deutschen Mann verheiratet sind?

Wenn sie nachweisen können, daß sie länger als vier Jahre mit dem Mann zusammengelebt haben und nicht der Prostitution nachgehen, haben sie automatisch ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Nur halten solche Ehen unserer Erfahrung nach meist oft bloß zwei Jahre. Dann sind die Frauen darauf angewiesen, daß der Mann mit ihnen zu den entsprechenden Behörden geht, damit sie eine Aufenthaltsverlängerung bekommen. Das macht die Frauen einmal mehr erpreßbar. Interview: Sonja Striegl