Vom Kino in die Flimmerkiste

■ „Aspekte“ und „Aspekte Extra“: Wie Fernsehen über die Berlinale berichtet

Aspekte Extra riskierte nichts und erstattete anläßlich der Berlinale gediegen Bericht. Zunächst ZDF, 18. Februar, 22.15 Uhr: Obwohl es ein Filmfest der Frauen hätte werden sollen, seien der Redaktion nur Filme von älteren Männern aufgefallen, entschuldigte sich Moderatorin Carola Wedel. Es folgten vier Interviews mit Filmmännern, natürlich auch mit dem 100jährigen Hal Roach und viele, viele Filmschnipsel. Dabei brachte nicht immer die Qualität den Film auf den Schirm: Berlinale- Gast Alexander Ganshin, der zu Stalins Zeiten dessen Filmvorführer war, verkündete, daß er immer noch Stalin-Anhänger sei. Der dazugehörige Film über seine Lebensgeschichte, The Inner Circle von Andrej Konchalovsky, hätte es eher nicht verdient, besprochen zu werden. Zwei Filme aus dem Wettbewerb und einen aus dem Internationalen Forum hatte sich das Aspekte- Team ausgesucht („The Inner Circle“, „Dead Again“, „L'Annonce faite à Marie“), selbst bedauernd, daß die herausragenden und spektakulären Filme in den ersten fünf Tagen ausgeblieben seien.

Am 22. Februar um 22.30 Uhr stellte das ZDF die Moderatorin Carola Wedel im Halbschlaf vor die Ränge des Zoo-Palasts, ließ den ungarischen Regisseur István Szabó vor laufenden Kameras „einmal Fleischspieß“ sagen (das sollte das Porträt eines Tages sein), Robert de Niro, die „menschliche Litfaßsäule“ — seine martialisch tätowierte Spannweite — entfalten, bis die ZuschauerInnen endlich ihren Aki Kaurismäki zu Gesicht bekamen, wie er — in Rauchschwaden verhangen — seinen Weltschmerz mit Ironie versüßt ins Mikrofon ergoß.

Diese Mixtur aus Larmoyance und Gewaltphantasie war der Aspekte-Redaktion gerade recht, um ihr Schlaglicht auf die diesjährige Berlinale zu werfen. Die Kinobranche boomt, verhieß sie den ZuschauerInnen, aber Vorsicht: Die Amerikaner beherrschen alles. Zur Illustration, und weil das ja sonst niemand glaubt, widmete Aspekte Extra auch gleich das erste Drittel der fünfzehn Minuten dem Hollywood-Schocker Cape Fear von Martin Scorsese. Blut, Klaviersaitenmorde und hysterische Frauen reichte man im Filmausschnitt als Appetitanreger, dazu Scorsese persönlich um 15.37 Uhr über die Satellitenschaltung. „Keine Erlösung ohne Blut“ räsonierte der Katholik Scorsese mit gedämpfter Stimme. Dann wieder de Niro, sein Filmheld, der Psychopath und Inbegriff der Scorsese'schen Epiphanie. „Ein Film, ästhetisch leer und von fragwürdigem Inhalt“ kommentierte Aspekte. Total daneben, einverstanden.

Zur Auflockerung dann ein Porträt. So flach wie gutgemeint. Der Ungar István Szabó schlenderte mit der Schauspielerin Johanna Ter Steege durch den Zoo, tastete nach seinem Schlüsselbund, knipste das Kamerateam von Aspekte, gestand, wie gespannt er auf die Premiere von Sweet Emma, dear Böbe sei: freundlich, allzeit gefällig. Die Moderatorin Wedel wußte auch nicht so recht, was an dem Mann oder seinem Lehrerinnen-Film dransein sollte. Die Regieanweisung lautete: „Szabó hat auf der Berlinale zweimal den Regiepreis bekommen, für Mephisto sogar den Oscar.“ Schön, daß die Berlinale ihren goldenen Bären neuerlich Oscar nennt.

Zuletzt ein Beitrag, bei dem man wirklich nichts falsch machen konnte. 1987 wurde der Ex-Tellerwäscher und Ex-Postbote Aki Kaurismäki auf der Berlinale zum Prinzen erklärt. 1992 fand in Berlin die Premiere seines neuen Werks Das Leben der Bohème statt. Ein Film in Schwarz-Weiß, lasziv und spöttisch, oft tieftraurig. Frauen, die ihre musealen Liebhaber mit Grashalmen sacht unter der Nase kitzeln, um anschließend vor lauter Armut krank werden. Aki Kaurismäki will auch seine Geschichte erzählen. „Immer wenn Freunde kamen, brachten sie Flaschen mit. Immer Alkohol — dagegen hab' ich ja nichts — aber nie Brot.“ Jetzt lebt Kaurismäki in Portugal oder Griechenland, ohne sonniges Gemüt und PR-Gesicht. Dafür Ironie vom feinsten.

Wie immer verzichtete Aspekte auf eine Wertung. Niemand spekulierte über künftige Bären-BesitzerInnen. Niemand erblödetet sich, wie im vergangenem Jahr bisweilen geschehen, einen Live-Verschnitt zu präsentieren. Und warum kamen die japanischen Filme im Fernsehen nicht vor? Eine Sendung, die nicht genug Stoff bietet, im Foyer des Zoo- Palasts einen Smalltalk darüber anzustrengen. Corinna Emundts/

Mirjam Schaub