Typ Platte

■ István Szabós „Sweet Emma...“ (im Wettbewerb)

Der Applaus war verhalten, István Szabó trug Schwarz. Sweet Emma, dear Böbe soll mit den gesellschaftlichen Umbrüchen in Ungarn zu tun haben. Jedenfalls verbrennen Schulkinder ihre Russischbücher, und der Camel- Mann ist einmal im Bild. Die Protagonistinnen, die Lehrerinnen Emma (Johanna Ter Steege) und Böbe (Enikö Börcsök), müssen Sprachkurse machen, um bald Englisch zu lehren. Der Schuldirektor hat Angst vor der Entlassung, weil er Kadermann war. Im Lehrerzimmer gibt es hitzige Diskussionen über Vergangenes und Zukunft.

In den Vordergrund drängen die persönlichen Probleme der ProtagonistInnen, die mit der veränderten Situation im Land zusammenhängen sollen. Emma und Böbe sind Freundinnen. Sie teilen sich im Wohnheim (Typ Platte) ein buchstäbliches Zwei-Bett-Zimmer. Emma hat eine verfahrene Affäre mit dem verheirateten Schuldirektor, Böbe geht vermutlich auf den Strich. Beide flottieren orientierungslos im „neuen“ System.

Sie träumen nicht nur von einem besseren Leben, sondern sagen dies auch der Kamera entgegen. Emma und Böbe stürzen nicht nur in Traumsequenzen und im Filmleben in die Tiefe, sondern deklamieren auch noch über das Fallen. Sätze wie „Ich will ja nur Liebe“ oder „Das Leben ist eine kolossale Sache“ werden mit ausdruckslosen Gesichtern frontal der unbeweglichen Kamera vorgetragen. Endlose Monologe über den Abstieg in Gefühlstiefen sind im schlichten Schuß-Gegenschuß-Verfahren zu Dialogen montiert. Stellenweise zwingt sich der Eindruck auf, einer tristen Soap-Opera beizuwohnen.

Zwischentitel unterbrechen Weiß auf Schwarz die Handlung; vielleicht um die ausdrucksschwachen Bilder und dürftigen Handlungssplitter zu verklammern. „Emma arbeitet dreimal in der Woche als Putzfrau“ — und schon ist sie am Staubsauger zu sehen. „Der allabendliche Weg von der Straßenbahn zum Wohnheim“ — und schon läuft Emma durch die düstere Vorortsiedlung.

Sweet Emma, dear Böbe ist ein langatmiger Film, bei dem man unberührt und unbeteiligt im Kinosessel sitzt. Obwohl oder gerade weil István Szabó sorgfältig konstruiert hat. Unbewegte Bilder und statische Personen mögen auf die Unbeweglichkeit angesichts der Herausforderungen des Neuen verweisen. Die Verunsicherung und Verzweiflung im Überlebenskampf läßt sich mit Worten jedoch kaum bebildern. Michaela Lechner

István Szabó: Sweet Emma, dear Böbe. Mit: Johanna Ter Steege, Enikö Börcsök, Péter Andorai. Ungarn 1991, Farbe, 81 Min.