Spendet, Brüder und Schwestern!

Der völlig verschuldete 1. FC Nürnberg schenkt den Kölnern traditionell zwei Punkte und — diesmal — vier Tore und fleht ganz nebenbei die dankbaren Rheinländer um reichliche Geldspenden an.  ■ Aus Köln Thomas Lötz

Seit Mitte der letzten Woche wird auf der Sparkasse in Nürnberg unter der Nummer 1369850 ein neues Konto geführt. Inhaber ist die erste Religion der Stadt, der 1. FC Nürnberg. Mit 21 Millionen Mark steht der Club in der Kreide und bittet seine Jünger nunmehr ergebenst den leeren Klingelbeutel des Vereins großherzig zu füllen. Bis zum nächsten Sonntag nämlich soll durch viele, freizügig hinweggebene Groschen wenigstens der Antrag auf eine Lizenzerteilung für die Fußball-Bundesliga gestellt werden können.

Ob der allmächtige DFB schließlich den Segen für eine weitere Saison im Oberhaus des deutschen Fußballs erteilt, bleibt abzuwarten, aber ein Ergebnis des vergangenen Samstags gibt im Frankenwald wieder Anlaß zur Hoffnung.

Mit dem Abpfiff des Bundesligaspiels beim 1. FC Köln, so scheint es, werden sich fortan auch die Portemonnaies und Scheckhefte der Anhänger der Glaubensrichtung im Zeichen des Geißbocks bereitwillig öffnen. Denn die Mannen von der Noris sind in Köln stets gern gesehene Gäste: In 18 Jahren Nürnberger Erstklassigkeit holten die Clubberer ganze vier schmale Punkte, ohne auch nur ein Spiel unter den Domtürmen gewinnen zu können. Und da in Köln bereits der baldige Verlust der guten alten Freunde vom VFL Bochum (21 Jahre Bundesliga, 6 Punkte und kein Sieg in Köln) schmerzlich betrauert wird, sollte das fränkische Flehen Anlaß zu einer reichlichen Kollekte der rheinischen Brüder und Schwestern geben.

Wer der Heimelf mehr oder weniger vier Tore schenkt, selbst keines erzielt, mit Hans Dorfner eine von Leiden gezeichnete Mittelfeldsäule aufstellt, für zwei Elfmeter sorgt, nicht bereit ist sich auf Standardsituationen des Gegners einzustellen, mit Forechecking erst in der Nähe des eigenen Strafraums beginnt, und durch zwei völlig überflüssige Platzverweise 16.000 Zuschauern ein nie und nimmer erwartetes Bundesligaspektakel bietet, der hat wahrhaftig bare Münze anstelle gut gemeinten Mitleids verdient.

So blieb das wahre, das uneigennützige Mitgefühl des Großteils der Besucher ausschließlich einem der Akteure vorbehalten: Frank Ordennewitz, liebevoll „Otze“ genannt. Nachdem er die 1:0-Führung durch Anders Giske nach einer halben Stunde um ein Tor erhöht hatte, nur Momente später erfolglos eine Foulelfmeter gegen den fliegenden Club- Torwart Andreas Köpke gehämmert hatte, in der 44. Minute dann per Flugkopfball das dritte Kölner Tor erzielte, befand er sich eine Viertelstunde vor Schluß auf dem Weg zu einem Hattrick — doch sein Gegenspieler kannte kein Erbarmen.

Kay Friedmann, ausgezeichnet mit fünf Jahren Betzenberg-Erfahrung, zurrte am Trikot des enteilten Kölners, und Otze sank strauchelnd dahin. Schiedsrichter Wieland Ziller schickte Friedmann zum Duschen, wo er auf seinen Mannschaftskollegen Marc Oechler getroffen sein dürfte, der, nach absichtlichem Handspiel, bereits in der ersten Hälfte das Feld hatte räumen müssen.

Seines totalen Triumphes beraubt, schonte Frank Ordennewitz fortan weder sich selbst, noch einen der übrig gebliebenen neun Clubberer. Unermüdlich rackerte er sich durchs Match. Jede Handlung schien lediglich auf das dritte, das noch fehlende Tor gerichtet. Otze befand selbst die entferntesten Bälle für noch erreichbar, rannte sich in wilder Armruderei bis kurz vors Koma, tackelte jeden und alles, aber die Chance, die dritte Kiste zu machen, die verwehrte ihm ausgerechnet ein Mitspieler. Als Karsten Baumanns Kopfball zum Endstand von 4:0 ins Nürnberger Gehäuse zischte, war es mit dem Hattrick für den bleichesten Spieler der Bundesligageschichte ganz einfach vorbei.

Mit lange anhaltenden „Ot-ze, Ot- ze“-Rufen wurde er aus dem Müngersdorfer Stadion verabschiedet, und vielleicht dachten er und jene, die ihn auf den Rängen feierten dabei auch ein wenig an den Club aus Nürnberg und die nächste Spielzeit. Dann könnte Otze im Heimspiel gegen die Franken erneut einen Anlauf nehmen, wenn, ja wenn... Spendet, Brüder und Schwestern!

Nürnberg: Köpke - Zietsch - Brunner, Friedmann - Dittwar, Dorfner, Oechler, Golke, Wagner (37. Heidenreich) - Zarate (67. Wück), Eckstein

Zuschauer: 16.000

Tore: 1:0 Giske (21.), 2:0 Ordenewitz (32.), 3:0 Ordenewitz (44.), 4:0 Baumann (79.)

Köln: Illgner - Götz - Baumann, Giske - Greiner, Littbarski, Heldt (79. Higl), Trulsen, Andersen - Henri Fuchs (46. Steinmann), Ordenewitz