Genscher macht Druck auf Kroatien

UNO-Sicherheitsrat verabschiedet Resolution zur Entsendung von 14.000 Blauhelmen in die umkämpften Gebiete Jugoslawiens/ Kroatien will aber zusätzliches Sonderabkommen mit der UNO  ■ Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) — Hans Dietrich Genscher hatte am Samstagabend bei seinem Besuch in Zagreb alle Hände voll zu tun, um den kroatischen Präsidenten Tudjman zu einer Akzeptierung des UNO-Plans „ohne Vorbehalte“ zu bewegen. Die auf einer Pressekonferenz vom Bundesaußenminister geäußerte Meinung über die zustimmende Position der kroatischen Regierung fand jedoch schon am gleichen Tag ein Korrektiv in den kroatischen Zeitungen: Die berichteten, daß die kroatische Regierung neue Bedingungen an die Stationierung von Blauhelmen knüpfe.

Denn die Formulierung der in der Nacht zum Samstag vom Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedeten Resolution, es werde eine Friedenstruppe von immerhin 14.000 Mann nach „Jugoslawien“ entsandt, stößt in Kroatien auf. Nach Zagreber Meinung geht es selbstverständlich um kroatische Gebiete, die von den UNO-Truppen befriedet werden sollen.

Gemäß der Resolution sollen die UNO-Verbände in den von ihnen zu besetzenden Gebieten — es handelt sich dabei um die Konfliktgebiete in Ost- und Westslawonien sowie der Krajina — die dort operierenden Freischärlerverbände entwaffnen. Die UNO-Truppe, genannt UNPROFOR, soll darüber hinaus den Zugang zu den Gebieten kontrollieren und darauf achten, daß sich nicht neue bewaffnete Verbände bilden. Außerdem soll sie die Arbeit der örtlichen Polizei überwachen und dafür sorgen, daß Menschenrechtsverletzungen nicht mehr vorkommen können.

Für die kroatische Regierung ist dies jedoch zu wenig. Sie möchte, daß in diesen Gebieten „alle Gesetze und Institutionen der Republik Kroatien gelten werden“. Die Gemeindeverwaltung, das Gerichtswesen, die Polizei und die Geldgeschäfte — alles soll im Einklang mit den Gesetzen der Republik Kroatien durchgeführt werden. Auch die Sicherung der Grenzen gegenüber Serbien und Bosnien-Herzegowina soll von kroatischen Verbänden gewährleistet werden. Noch am Freitag wollte die kroatische Regierung diese Forderungen in einem „Sonderabkommen“ zwischen Kroatien und der UNO festgeklopft wissen. Der UNO-Friedensplan sieht nun jedoch nicht vor, daß die kroatischen Gesetze Anwendung in den von der UNO zu besetzenden Gebieten finden.

So entsprach Genschers Meinung am Samstagabend zwar der Hoffnung der deutschen Regierung, Kroatien möge sich an Geist und Buchstaben des UNO-Friedensplans halten, doch keineswegs der kroatischen Realität. Immerhin stellte Genscher auch klar, daß die EG durch Gewalt erworbene Gebiete nicht anerkennen werde; damit kam sie dem Wunsch Tudjmans entgegen, festzustellen, daß die Umsetzung des UNO-Friedensplanes keineswegs die aktuellen Demarkationslinie zur Grenze machen würde. Aber angesichts der Zusammensetzung des Weltsicherheitsrates, in dem ja die Deutschen bisher Sitz und Stimme nicht haben, handelt es sich dabei um ein vages Versprechen. Denn viele kroatischen Politiker fürchten, der deutsche Einfluß — der in der EG ausreiche, um den Interessen Kroatiens Rechnung zu tragen — sei in New York doch begrenzt. Immerhin werden die USA 30 Prozent der Kosten der UNO-Truppe tragen, die sich auf 634 Millionen Dollar belaufen. Und die USA haben die Unabhängigkeit Kroatiens bisher nicht anerkannt. Der Hinweis Genschers, die politische Lösung des Konflikts sei der Haager Friedenskonferenz der EG vorbehalten, sollte ebenfalls die Kroaten beruhigen, entspricht jedoch noch nicht völlig sicher dem wirklichen Gang der Dinge.

Auch in eine andere Richtung sandte Genscher beruhigende Worte aus: Deutschland, so der Außenminister, wünsche gute Beziehungen zu allen Republiken des auseinanderbrechenden Jugoslawiens. In Serbien wird man diese Aussage interessiert registrieren, ohne sich jedoch von dem eingeschlagenen Kurs, auf die USA und die UNO zu setzen, abbringen zu lassen. Der Druck der serbischen Regierung auf die Führung der „Serbischen Republik Krajina“ hat am Samstag weitere Früchte getragen: Milan Babic, der Präsident der Krajina, sagte die Unterstützung der UNO-Friedenstruppen in seinem Gebiet zu; die serbischen Milizen würden die Blauhelme in seinem Gebiet nicht behindern.

Dem steht jedoch die ebenfalls am Samstag erfolgte Ablösung des Innenministers der Krajina, Lazar Martic, gegenüber, der als Oberbefehlshaber der Krajina-Armee für die UNO-Lösung eingetreten war. Martic wurde durch den Hardliner Slavko Ozegovic ersetzt, nachdem die Tschetniks offen gegen den Befehl von Martic, sich entwaffnen zu lassen, revoltiert hatten. Ob es dem neuen Befehlshaber gelingt, die UNO-Auflagen zu erfüllen, ist somit dahingestellt. Der Waffenstillstand hält jedenfalls, wenn man von Scharmützeln in Osjek und Vinkovci absieht, bei denen ein kroatischer Soldat getötet wurde.