Waffenschmieden in Konversionsnöten

■ In der CSFR sorgt die rückläufige Rüstungsproduktion für soziale Probleme/ Slowakei besonders betroffen

Prag (dpa/taz) — Die Entspannung zwischen Ost und West drückt auch in der CSFR auf das Waffengeschäft. Besonders in der Slowakei trauern nicht wenige Rüstungsproduzenten und Beschäftigte jenen Zeiten nach, als die tschechoslowakische Rüstungsindustrie auf Hochtouren lief. Im slowakischen Landesteil sind über zwei Drittel der CSFR-Rüstungsbetriebe angesiedelt. Seit die Prager Regierung im März 1990 beschloß, mit einem Umstellungsprogramm die Rüstungsproduktion bis zum Jahre 1993 auf 30 Prozent der Kapazität von 1988 zu senken, bangen Tausende um ihre Arbeitsplätze. Die Regierung der slowakischen Teilrepublik ließ das Programm wegen zu hoher Kosten und unabsehbarer sozialer Probleme zunächst auf Eis legen, mußte ihre Blockade aber bald wieder aufgeben.

Selbst den Auftragsausfall aus den RGW-Staaten, für den der Großteil der Waffenproduktiuon bestimmt war, konnten die slowakischen Rüstungsbetriebe nicht kompensieren. Hinzu kamen erhebliche Schwierigkeiten, zivile Ersatzprogramme zu finden. Es existieren zwar fast 100 Konversionsprojekte, die Frage ist aber, ob diese auch praktikabel sind. Der Kostenaufwand für die Konversion wird von Experten auf mindestens 26,3 Milliarden Kronen (1,55 Milliarden Mark) geschätzt. Im vergangenen Jahr stellte die Regierung den slowakischen Rüstungsunternehmen jedoch lediglich 1,3 Milliarden Kronen für die Umwandlung zur Verfügung. Vertreter ausländischer Firmen beklagen, daß die meisten Unternehmen weiter auf das Eingreifen des Staates warteten und selbst keinerlei Risiken eingehen wollen.

Die Tschechoslowakei rangierte unter kommunistischer Führung als Waffenproduzent und -exporteur weltweit an siebter Stelle. Der militärisch-industrielle Komplex in der CSFR beschäftigte rund 250.000 Menschen, rund 100.000 davon direkt in der Waffenproduktion. 1988 wurden Rüstungsgüter für insgesamt 29 Milliarden Kronen (nach damaligen offiziellen Wechselkurs etwa 5,18 Milliarden Mark) hergestellt, davon für 19,3 Milliarden Kronen in der Slowakei. Die Rüstungsschmieden produzieren vornehmlich Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Geschütze, Hubschrauber und Kampfflugzeuge mit sowjetischen Lizenzen, die zuletzt vornehmlich an Lybien, Indien und den Iran verkauft wurden. Im letzten Jahr sollte die Produktion auf insgesamt fünf Milliarden Kronen gedrosselt werden — damit wäre die CSFR nach Aussage des Rüstungsexperten im Prager Außenministerium, Jan Jursa, nicht mehr zu den 20 größten Waffenherstellern der Welt zu zählen. Im vergangenen Jahr mußten slowakische Maschinenbauunternehmen dafür insgesamt 45.000 Arbeiter entlassen — 85 Prozent von ihnen arbeiteten in Rüstungsbetrieben. Um der schwer angeschlagenen Branche unter die Arme zu greifen, wurde den Waffenproduzenten ein Teil ihrer Schulden erlassen und 30 Prozent ihrer Lagerbestände vom Staat aufgekauft.

Aber auch die staatlichen Waffenexporteure müssen nun den Gürtel enger schnallen. Wurden 1987 vom Außenhandelsunternehmen Omnipol Rüstungsgüter für noch 20 Milliarden Kronen (damals 3,57 Milliarden Mark) exportiert, führte es im vergangenen Jahr nur noch für acht Milliarden Kronen aus. Rüstungsexperten in beiden CSFR-Landesteilen verhehlen nicht, daß im Ausland nach wie vor großes Interesse an schweren Waffen besteht. Doch werde es immer schwieriger, eine Exportlizenz zu bekommen. So erhielt Omnipol keine Genehmigung für die Ausfuhr von T-72-Panzern nach Iran. Teheran mußte auch auf den Kauf von 1.500 Panzern der Typen T-54 und und T-55 verzichten.

Mehr als zwei Jahre nach der Wende sind die Prager Minister nicht mehr so blauäugig, eine völlige Aufgabe der Rüstungsproduktion zu verlangen. So erklärte Wirtschaftsminister Vladimr Dlouhy diplomatisch, daß es sich bei Waffen um eine Ware handle, mit der sonst andere Länder handeln würden. Daher müsse sich auch die CSFR in „vernünftigem Maß“ am Rüstungsexport beteiligen. Schließlich lassen sich mit dem internationalen Waffenhandel auch gute Devisengeschäfte machen; auch die russische Konkurrenz schläft nicht, wie die jünsten Äußerungen Boris Jelzins belegen. Kein Wunder, daß sich Dlouhy da sogar für eine effektivere Rüstungsindustrie ausspricht. Nach seiner Einschätzung darf es in der CSFR nicht dazu kommen, daß der Staat einerseits Konversionsprojekte subventioniert und zugleich eine ineffektive Industrie am Leben erhalten muß. es